Großbritannien:Übel von rechts, Übel von links

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Britische Manager sind dieses Mal vor der Parlamentswahl sehr nervös. Egal, wer regieren wird - für die Wirtschaft bedeuten Tories wie Labour unsichere Aussichten.

Von Björn Finke

Die Zeiten sind turbulent: Die Ukraine-Krise schwelt weiter, der Islamische Staat ist nicht besiegt, und niemand weiß, ob Griechenland seine Schuldenprobleme je löst. All das kann hässliche Folgen für Europas Wirtschaft haben. Viel mehr Angst bereitet britischen Managern aber etwas anderes - die Parlamentswahlen in drei Wochen. Und das Wahlversprechen der regierenden Konservativen, im Falle ihres Sieges das Volk abstimmen zu lassen über den Austritt aus der EU.

Die Wirtschaftsprüfer von Deloitte fragen regelmäßig die Finanzvorstände der wichtigsten Firmen im Vereinigten Königreich, welches die größten Risiken für deren Geschäft sind. In der jüngsten Erhebung toppen Sorgen über den Wahlausgang und ein mögliches EU-Referendum andere Themen deutlich. Zugleich ist die Zahl der Manager gesunken, die neue Produkte auf den Markt bringen oder Investitionen wagen wollen: Sicherheit geht vor.

Die Briten wählen - die Unternehmer bangen. Das spiegeln auch die Finanzmärkte wider: Händler erwarten in den kommenden Wochen starke Schwankungen beim Kurs des Pfundes und sichern sich bereits dagegen ab. Die Manager sind vor dieser Wahl besonders besorgt, weil das Rennen so knapp ist. In Umfragen liegen die konservativen Tories wie die Opposition der Labour Party bei 33 bis 35 Prozent. Aller Voraussicht nach wird keine Partei eine absolute Mehrheit erringen. Dem Land, einem der wichtigsten Handelspartner Deutschlands, drohen also nach dem Votum wochenlange, komplizierte Koalitionsverhandlungen. Oder es gibt eine Minderheitsregierung. Oder Neuwahlen. Stabilität sieht jedenfalls anders aus. Zudem sind viele Manager unglücklich über die Wahlprogramme - und nicht nur über die Ziele von Labour.

Auch die Tories, traditionell Partei der Besserverdiener, der Banker in der City und der Unternehmer, bereiten Kummer: mit dem Versprechen, die Untertanen Ihrer Majestät spätestens in zwei Jahren entscheiden zu lassen, ob sie in der EU bleiben wollen, im bedeutendsten Exportmarkt. Jürgen Maier, Chef der 14 000 Siemens-Mitarbeiter in Großbritannien, nennt die Aussicht auf so ein Referendum "hochgradig beunruhigend".

In Umfragen spricht sich regelmäßig die klare Mehrheit der Manager für den Verbleib in der Union aus. Die US-Bank Goldman Sachs kündigte an, im Falle eines EU-Austritts Teile ihrer wichtigen Londoner Niederlassung abzuziehen. Der japanische Konzern Nissan, der das größte Autowerk im Königreich betreibt, droht ebenso, ein Brexit werde negative Folgen haben. Doch auch Labour trägt einiges zu den Sorgen bei: Die Partei will Steuern für Reiche und Banker erhöhen, eine Abgabe für teure Häuser einführen und mächtige Firmen stärker regulieren. So sollen Energieversorger ihre Preise zwei Jahre lang nicht anheben dürfen.

Martin Sorrell leitet die britische Werbegruppe WPP, der in Deutschland etwa die Agentur Scholz & Friends gehört. Sorrell ist sauer, er beschreibt das Dilemma so: "Wähle die Konservativen, und du bekommst ein wirtschaftsfreundlicheres Umfeld - aber die Unsicherheit des Referendums. Wähle Labour, und du bekommst deren negativere Einstellung gegenüber Unternehmen - aber dafür kein Referendum."

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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