Großbritannien:Gordon Brown spricht für sich

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Großbritanniens angeschlagener Premier versucht sich an einer PR-Aktion der besonderen Art: Mit persönlichen Telefonanrufen beim Wahlvolk will Gordon Brown aus dem Popularitätstief kommen.

Wolfgang Koydl

Wenn man als Politiker derart steil in der Wählergunst abgestürzt ist wie der britische Premierminister Gordon Brown, dann klammert man sich schon mal an Strohhalme, um zumindest ansatzweise wieder einen positiven Eindruck zu machen. Ersatzweise tut es auch ein Telefonhörer.´

Glaubt man einer Anekdote, hat der britische Premier Gordon Brown einen Wähler versehentlich zu nachschlafender Zeit aus dem Bett geklingelt (Foto: Foto: AP)

Dies jedenfalls ist die Methode, für die Brown sich entschieden hat. Wie jetzt bekannt wurde, ruft er regelmäßig Bürger daheim an, um mit ihnen über einen Brief oder eine E-Mail zu reden, die sie ihm in die Downing Street geschickt hatten.

"Hier spricht Gordon Brown", hören die Angerufenen die unverkennbar knarrende Stimme ihres Regierungschefs, wenn sie sich von ihrer ersten Überraschung erholt haben, nachdem die Telefonvermittlung von Number Ten den Anrufer angekündigt hatte. Die meisten Leute, so hat ein Vertrauter des Premiers festgestellt, reagieren gleich: "Das soll wohl ein Scherz sein", sind die ersten Worte, die ihnen entfahren.

Auch Browns Einstieg in das Gespräch ist offensichtlich immer gleich - wie bei erfahrenen Verkäufern auch, die per Telefon Versicherungen, günstige Kredite oder Ferienreisen zu sonnigen Zielen anpreisen. "Ihr Brief hat mich sehr interessiert", sagt er, worauf eine Konversation folgt, die nach Angaben aus der Downing Street je nach Gesprächspartner mehrere Minuten lang dauern kann.

Wie die Medienpublikation PR Week berichtete, erhalten bis zu zwei Dutzend Britinnen und Briten pro Woche einen Anruf ihres Premierministers. Ob sie sich davon geadelt fühlen oder erschrecken, dürfte von ihrem Temperament abhängen oder von ihrer politischen Grundeinstellung. Konservative Wähler wiederum dürften mit Erleichterung feststellen, dass das Gesetz es dem Regierungschef eigentlich untersagt, telefonisch Propaganda für sich und seine Labour-Partei zu machen.

Riskant ist es indes, den Premierminister mit Widerspruch zu reizen. Wie enge Mitarbeiter bestätigen können, knallt er bei diesen Gelegenheiten schon mal derart gewalttätig den Hörer auf die Gabel, dass sich das Telefon in seine Einzelteile zerlegt.

Browns Mitarbeiter beteuern, dass die Gesprächigkeit ihres Chefs nicht neu sei. Er habe schon als Schatzkanzler mit Bürgern am Telefon geplaudert, verbreiten sie. Bekannt ist zudem, dass er den Angehörigen gefallener Soldaten persönlich am Telefon sein Beileid ausspricht. Politische Beobachter in Westminster sind sich jedoch sicher, dass die Fernsprechaktion Teil einer Kampagne ist, mit welcher der als kalt und unnahbar geltende Premier "vermenschlicht" werden soll, wie PR Week schrieb.

Zudem ist seine Partei nach einer am Freitag im Daily Telegraph veröffentlichten Umfrage auf den tiefsten Stand seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1943 gefallen. Nur noch 23 Prozent entschieden sich für Labour, die oppositionellen Konservativen kamen auf 47 Prozent. Unter dem Eindruck einbrechender Umfragewerte und verlorener Wahlen hatte Brown letzthin mehrmals versprochen, in Zukunft besser zuzuhören, wenn Wähler sich beklagen.

Die Briten kennen ihren Gordon

Die Telefonaktion, die auf eine Idee von Browns neuem Chefstrategen Stephen Carter zurückgehen soll, sei denn auch "ein Versuch, positive Mundpropaganda für den Premier, vor allem in den verschiedenen Landesteilen, zu erzeugen", schrieb PRWeek.

Ob Brown sich mit seinen Anrufen wirklich uneingeschränkt Freunde macht, ist freilich fraglich. Denn manche Bürger mögen ihren Premier als ähnlich aufdringlich empfinden wie Werbeanrufe einer Bank oder eines Handy-Betreibers. Immerhin stehen Telefonverkäufer nicht so früh auf wie Gordon Brown, von dem man weiß, dass er spätestens um sechs Uhr an seinem Schreibtisch sitzt - und telefoniert.

Downing Street dementiert zwar entschieden die Anekdote, dass der Premier einmal versehentlich einen Mann zu dieser nachtschlafenden Zeit aus dem Bett geklingelt habe. Doch Briten kennen ihren Gordon: Wenn demnächst im Morgengrauen das Telefon statt des Weckers klingelt, dann können sie sich ausrechnen, wer dran ist.

© SZ vom 31.05.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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