Grenze Liechtenstein-Schweiz:40 Kilometer Sicherheitslücke

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Die EU hat mit dem 35.000-Einwohner-Land Liechtenstein ein paar Rechnungen offen und verlangt nun, dass die Schweiz Grenzhäuschen an den Übergängen nach Liechtenstein errichtet.

Gerd Zitzelsberger

Die freie Fahrt lässt auf sich warten. Schon vergangenes Jahr sollten nach den ursprünglichen Plänen die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und der Schweiz abgeschafft werden. Nächstes Zieldatum war dann Anfang 2008. Doch soweit ist es noch nicht. Auch zur Hauptreisezeit liegt es in der Hand der Beamten, ob man an der Schweizer Grenze durchfahren darf oder den Ausweis zeigen muss. Jetzt peilt Bern den Dezember an. Der Grund, warum die Schlagbäume nicht abgebaut werden können: Einige EU-Staaten haben bei den Eidgenossen eine Sicherheitslücke von 40 Kilometern Länge entdeckt. Seit Monaten ringen die Diplomaten nun darum, wie das Loch zu schließen sei. Es wird noch weitere Monate dauern, bis sie zu einer Lösung kommen. Ort des Anstoßes ist die Grenze zwischen der Schweiz und dem Zwergstaat Liechtenstein.

Grenze zwischen der Schweiz und Liechtenstein über dem Rhein bei Vaduz (Foto: Foto: dpa)

Wer von der Schweiz über den Rhein nach Vaduz fährt, muss ganz genau hinschauen - sonst übersieht er die Landesgrenze. Selbst der Schweizer Armee widerfährt dies von Zeit zu Zeit. Mehrmals schon sind ihre Soldaten versehentlich in das Fürstentum einmarschiert. Seit beide Länder anno 1923 den Zollvertrag abgeschlossen haben, gibt es keine Grenzhäuschen, keinerlei Kontrollen und keine Schlagbäume mehr. Nur zwei Flaggen markieren den Übergang.

So wie bisher kann es nicht weitergehen, hat die EU befunden. "In irgendeiner Form muss die Grenze überwacht werden", sagt ein Brüsseler Diplomat. Grenzhäuschen müssten her. Denn die Schweiz gehört - im Gegensatz zu Liechtenstein - mittlerweile zum so genannten Schengen-Gebiet, also zu den Staaten, zwischen denen es keine Grenzkontrollen mehr gibt. Dafür werden die Außengrenzen umso strenger überwacht.

Williges Geldversteck für Steuerflüchtlinge

Die Demarkationslinie zwischen der Schweiz und Liechtenstein ist zu einer solchen Außengrenze avanciert, auf dem Papier jedenfalls. Denn bis Liechtenstein in den Schengen-Club aufgenommen wird, dauert es noch. Das 35000-Einwohner-Land hat ein paar Rechnungen offen: Mit Tschechien bestehen wegen des Streits um enteignete Ländereien der liechtensteinischen Fürstenfamilie nicht einmal diplomatische Beziehungen.

Deutschland und ein paar andere Länder verargen dem Zwergstaat, dass er sich Steuerflüchtlingen willig als Geldversteck zur Verfügung stellt. Kurzum: Etliche EU-Staaten wollen verhindern, dass Liechtenstein durch die Hintertüre und quasi kostenlos Schengen-Mitglied wird. Die Schweiz hat dafür einen Teil ihres Bankgeheimnisses geopfert, Liechtenstein soll eher einen höheren Preis bezahlen.

Nach außen dringt bislang nicht viel von diesen Verhandlungen. Denn der EU fällt es schwer, Liechtenstein als offenes Einfallstor für Kriminelle oder illegale Einwanderer darzustellen. Das Ländchen wird schließlich von den beiden Schengen-Staaten Österreich und Liechtenstein vollständig umschlossen. Von außerhalb des Schengen-Gebietes gelangt man allenfalls mit einem Fallschirm in das Fürstentum.

Präzedenzfälle für ihre Sicht der Dinge haben beide Seiten parat: Die Schweizer verweisen auf den Zwergstaat San Marino. Auch er ist nicht Schengen-Mitglied, trotzdem hat Italien keine Grenzkontrollen an der Grenze zu San Marino eingeführt. Brüssel dagegen zeigt auf die Grenze zwischen Schengen-Mitglied Spanien und die Steueroase Andorra: Dort gebe es Grenzhäuschen.

Normalbürger können das Ringen der Diplomaten mit Gelassenheit verfolgen, denn viel ändern wird sich für sie nicht, wenn die Grenzkontrollen zur Schweiz fallen. Bei den Autos aus Deutschland werden gelangweilte Schweizer Grenzwächter auch künftig gelegentlich mal nachschauen, ob nicht ein Pfund Fleisch zuviel in der Kühltasche liegt. Und der deutsche Zoll wird weiter ein Auge darauf haben, dass niemand mehr als 10.000 Euro Bargeld über die Grenze schafft. Nur die Fahrt nach Vaduz dauert künftig vielleicht drei Minuten länger.

© SZ vom 14.07.2008/bosw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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