Glosse: Das Streiflicht

(SZ) Was den jüngstvergangenen, für den deutschen Fußball so betrüblichen Sonntag angeht, so hätte man ihn früher einen "dies ater" genannt. Da die meisten Sportfreunde diesen Begriff nicht mehr kennen, sind die Kommentatoren dazu übergegangen, Tage wie diesen als "gebrauchte Tage" zu bezeichnen, was nicht weniger kryptisch ist, aber immerhin die Deutung zulässt, dass es sich um Tage handelt, die "irgendwie beschissen" waren. In der Feinanalyse ist man mittlerweile so weit, dass man Spielern wie Mats Hummels und Sami Khedira zwar ihren je eigenen gebrauchten Tag zubilligt, dass man aber - einer für alle, alle für einen! - den gebrauchten Tag als solchen durchaus fürs gesamte Team reklamiert. Ob der Tag auch für die ganze Nation ein gebrauchter war, ist strittig, da erstens nicht alle Deutschen das Spiel angeschaut haben und da zweitens Kant sagt, dass die Zeit, also auch der Tag, nichts Objektives und Reales ist, sondern die subjektive Gabe, "beliebige Sinnendinge ... miteinander zusammenzuordnen". Und was, wenn nicht ein beliebiges Sinnending, wäre der Fußball, speziell die WM!