Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Der Freudsche Versprecher geht auf Sigmund Freuds Studie "Zur Psychopathologie des Alltagslebens" zurück und hat es zu beinahe gespenstischer Beliebtheit gebracht. "Ha, Freud lässt grüßen!", heißt es, wenn einer "Schmeinfecker" statt "Feinschmecker" sagt, doch muss nicht alles, was sprachlich danebengeht, so verstanden werden, als käme hier Bewusstes oder, noch besser, Unbewusstes ans Tageslicht, das eigentlich hätte unterdrückt werden sollen. Wenn ein Redner seine Begrüßung mit "Sehr geehrte Vorschussmitglieder" beginnt, so kann das zwar seine geheime Hoffnung offenbaren, von den Vorstandsmitgliedern einen Vorschuss zu erhalten; es kann aber auch bedeuten, dass er "Ausschussmitglieder" sagen wollte, wobei ihm die Wörter "Vorstand" und "Ausschuss" zu "Vorschuss" gerannen. Man sollte es auch nicht überbewerten, wenn ein Mann morgens statt Zahnpasta Rasiercreme auf die Zahnbürste drückt. Dahinter steckt nicht unbedingt sein Unbewusstes, sein "Es", das ihn zwingt, stellvertretend gegen die Haare anzukämpfen, die er auf den Zähnen seiner Frau vermutet. Er ist ganz einfach noch nicht richtig wach.

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