Glosse:Das Streiflicht

Lesezeit: 2 min

(SZ) In der Frankfurter Rundschau stand soeben ein Bericht über den Bau des Riederwaldtunnels und seine Auswirkungen für die Umwelt. Nur ein Lokalteilaufreger? Keineswegs. Es gab eine Informationsveranstaltung zu dem Thema, die offenbar zeitlich aus den Fugen geraten ist. Denn, so schreibt die FR: "Der Aktivist Friedhelm Ardelt-Theeck vom Aktionsbündnis unmenschliche Autobahn setzte zu einer Wutrede über die Länge der Veranstaltung an." Ohne den Vortrag des Aktivisten zu kennen, kann man sagen: Die Wutrede ist der Kommunikationsweg der Gegenwart. Die Wutrede hat sich emanzipiert vom Bereich des Fußballerischen, wo sie entstanden ist. 1998 hat Giovanni Trapattoni seine brillante Rede ("Schwach wie eine Flasche leer!") uraufgeführt, die anfangs Schimpfkanonade genannt wurde. Aber Schimpfkanonade klingt unnötig kriegerisch. Außerdem hat Trapattoni ("Was erlauben Strunz?") nicht geschimpft, er hat gewütet. Und die Wutrede ist ja: die Rede eines Wütenden.

Bestimmt war die Wutrede des Frankfurter Aktivisten eine - bei aller Wut - klar nachvollziehbare Anklage. Es geht immer um so viel in der Politik. Die politischen Wutreden in Deutschland sind deshalb oft kraftvoll, intensiv, aber eben auch kalkuliert. Nachdem FDP-Chef Christian Lindner vor Jahren einen SPDler im NRW-Landtag kleingehäckselt hatte, beendete er seine Wutrede mit einem dahingeschlenzten "So, das hat Spaß gemacht." Als wäre die Wut mit dem Ende der Wutrede verraucht. Beim authentisch wütenden Trapattoni loderte sie weiter. "Ist klar diese Wörter, ist möglich verstehen, was ich hab' gesagt?", formulierte er. Und nach seiner Rede, praktisch im Abgang, bot er an: "Wenn ist Nachfragen, eh: Ich kann Worte wiederholen!"

Während also inzwischen auch im fußballfernen Bereich viel Wut ist, und entsprechend viel Wutrede, hat sich soeben der fast vergessene Fußballtrainer Christoph Daum zurückgemeldet. Er coacht jetzt die rumänische Nationalmannschaft und fightete mit rumänischen Journalisten, die ihn wegschreiben wollen. Daums Wutrede in eigener Sache: "With sis you show your real fes" keifte er, sein Englisch ist etwas belastbarer als das Deutsch damals von Trapattoni, dafür ist seine angeborene Heiserkeit charmanter als die Heiserkeit vom Seehofer. Daum saß da, hinter ihm Werbung für rumänische Banken, rumänische Biere, deutschstämmige Discounter. Er verteidigte sich gegen rumänische Nörgler aus dem Off, die alles schlechtreden, seine Wutrede hörte sich in besseren Momenten nach Mutrede an. Und er schloss mit der mutigen, allerdings schwer nachprüfbaren Feststellung: "Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin rumänischer als Sie." Dass der Fußball die besten Geschichten erzähle, kann man nicht mehr behaupten, nach den Enthüllungen der letzten Zeit. Aber die besten Wutreden liefert er immer noch.

© SZ vom 16.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: