Glosse:Das Streiflicht

Lesezeit: 2 min

(SZ) Die Aufgabe des Touristen besteht darin, an einen Ort zu fahren, der nicht sein Zuhause ist, und sich diesen Ort anzuschauen. Wenn er dort angekommen ist, sagt der Tourist "Ah" und "Oh" und andere Wörter des Staunens. Manchmal schweigt er auch und fühlt stattdessen, dann ist es noch schöner. Der Tourist fährt also und staunt, und wirklich geprüft vom Leben fühlt er sich erst bei schlechtem Wetter. Was der Tourist aber schlechtes Wetter nennt, das nennt der Künstler Inspiration. Als die Wetterküche der Sächsischen Schweiz dem Maler Caspar David Friedrich ein sämiges Süppchen kochte, dankte der Künstler vom Felsen aus dem Tal dafür, dass er auf dessen lästige Details und teure Farbe nun ja wohl verzichten könne. Es entstand der "Wanderer über dem Nebelmeer". Als dem Dichter Heinrich Heine wenige Jahre zuvor im Harz das Ungemach in alle Kleider kroch, schrieb er dem Brocken ungerührt Folgendes ins Gipfelbuch: "Große Steine, müde Beine, saure Weine, Aussicht keine. Heinrich Heine."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: