Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Wenn das Stichwort Zwischenruf fällt, nennen Menschen, die schon in der alten Bundesrepublik Bundestagsdebatten im Fernsehen verfolgt haben, mit süffisantem Eingeweihten-Lächeln den Namen Herbert Wehner. Der schmallippige frühere SPD-Fraktionschef und Pfeifenraucher Wehner hielt den Rekord im Zwischenrufen, man kann inzwischen sogar heitere Zwischenruf-Sammlungen von ihm in Buchform kaufen. Der Zwischenruf galt und gilt als irritierende, wenngleich demokratische Kulturtechnik und wird als kontrollierte Grenzüberschreitung weitgehend toleriert. Man muss sich das aber einmal vorstellen: Es redet einer öffentlich vor vielen, vielen Menschen, und da ist dann plötzlich ein anderer, der einfach etwas dazwischenruft. Dem Redner bleiben nun folgende Möglichkeiten: Er kann den Zwischenrufer ignorieren, dann gilt er als unoriginell. Er kann ihn beschimpfen, dann hält ihn jedermann für unsouverän. Er kann ihm eine überraschende Entgegnung verpassen. Aber dann läuft er Gefahr, sich zu verzetteln und aus dem Redemanuskript zu rutschen wie eine tote Fliege.

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