Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Im Sommer 1976 wanderte Willy Brandt durch die Senne, das ist jener malerische Landzug am Westhang des Teutoburger Waldes, dessen bildschöne Heidelandschaft selbst bei solchen Menschen die Anklangsnerven beben lässt, die mit Musik sonst eher wenig am Hut haben. Mondraute, Wendehals und Trauermantel gedeihen hier super, und vielleicht ist es diese heiter-melancholische Gesellschaft gewesen, die den Weltmann Brandt an jenem Tag zur Mandoline greifen ließ. Das Foto, das Henning von Borstell geistesgegenwärtig aufnahm, hing früher in den Thinktank-Buden schwer motivierter Jusos; die empfindsameren unter ihnen meinten sogar, Brandts aufgeraute Stimme das schöne alte Spanienkämpferlied "In dem Tal dort am Rio Jarama" singen zu hören. Menschen, die eine eher niedrig temperierte Empfindung für Willy Brandt hegten, hielten dagegen, der große Sozialdemokrat sei zwar ein großer Sozialdemokrat gewesen, aber ein sehr schlechter Mandolinenspieler. Denn Politik und Kunst stünden zueinander wie Feuer und Eis, Himmel und Hölle, Brandt und Grass.

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