Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Vor einigen Jahren war der isländische Vulkan Eyjafjallajökull ein gewaltiger Aufreger. Die Asche, die er im Raum verteilte, bewirkte, dass in ganz Europa Flugzeuge am Boden bleiben mussten. Wenn ein Naturereignis den Gang der Dinge so wesentlich beeinflusst, ist das immer ein Hinweis an die Menschen, wie klein sie doch in Wahrheit sind, wie man es in der Diktion des Wortes zum Sonntag formulieren würde. Dabei war der Name des Vulkans ein ähnliches Ereignis wie der Vulkanausbruch selbst. Herrlich, wie die Nachrichtensprecher vergeblich versuchten, das Wort Eyjafjallajökull auf die Reihe zu kriegen. Wunderbar die entsprechenden Passagen in Reiseportalen zum Thema Island: "Zwischen dem Mýrdalsjökull und den Gletschern Eyjafjallajökull und Tindfjallajökull befindet sich das Tal von Þórsmörk." Es ist ein wenig erwartbar, unter dem Eindruck solcher Sätze zu sagen: Klingt wie bei Loriot. Aber klingt nun mal wie bei Loriot.

Bei der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich überzeugen die Isländer unter anderem durch den Fußballer Kolbeinn Sigthórsson, dessen Name alle Hoffnungen des Außenseiters verdichtet. Sigthórsson möge das Siegtor schießen, und die Chance ist ja noch da. Dass der Mann mit Vornamen Kolbeinn heißt, mindert den Zauber kein bisschen. Es ist ein wenig erwartbar, unter dem Eindruck dieser Namen zu sagen: Klingt wie bei Asterix. Aber klingt nun mal wie bei Asterix. Dass man solche Vergleiche anstellt, ist im Übrigen nichts anderes als der Versuch, das Unbekannte mit dem Bekannten zu synchronisieren, um es besser zu verstehen.

Dazu passt eine aktuelle Meldung der BBC, wonach die Isländer in Island selbst Maßnahmen ergreifen, um der um sich greifenden Islandbegeisterung von Touristen Herr zu werden. So einzigartig isländische Namen sind, so einzigartig sind auch isländische Verkehrsschilder, auf denen "Óbrúadar Ár" steht, ein Klassiker. Das Schild zeigt einen Pkw, der sich vorsichtig in ein Gewässer wagt. Ein kleiner Fluss ohne Brücke, sagt das Schild: Man braucht schon Allradantrieb, um da durchzukommen. Genauso verhält es sich, wenn das Schild mit der Aufschrift "Torleidi" in den Blick gerät. Hat nichts mit einer Abschluss-Schwäche auf dem Fußballplatz zu tun, sondern bezeichnet eine fahrbare, aber anspruchsvolle Strecke. Es gab mal die Idee, die Aufschriften in Englisch auf die Schilder zu löten, aber das wollten die Isländer nicht. Touristen und andere Gäste sehen in den Verkehrszeichen ein Souvenir, sie schrauben sie ab und nehmen sie mit und hängen sie zu Hause im Flur auf, ihnen ist es egal, ob in Island die Autos ungewarnt in flachen Gewässern versinken. Óbrúadar Ár. Die Isländer haben jetzt beschlossen, die Schilder besser zu sichern und schwerer zu machen. Ihre Sprache ist ein Schatz, man muss ihn hüten.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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