Glosse: Das Streiflicht

(SZ) Eritrea ist das Nordkorea Afrikas, das weiß mittlerweile wirklich jedes Kind; es steht schließlich in nahezu allen journalistischen Texten über dieses Land. Gerade wurden 25 Jahre Unabhängigkeit gefeiert, und da wurde dieser Vergleich wieder gebetsmühlenhaft wiederholt. Wobei sie weder in Nordkorea noch in Eritrea Gebetsmühlen haben, Gebetsmühlen gibt es in Tibet, und das ist natürlich nicht das Nordkorea Afrikas, sondern das Dach der Welt. In Nordkorea haben sie nur Gewürzmühlen, für den Nordkoreander. Ruanda wird übrigens das Tibet Afrikas genannt, und Bolivien ist das Tibet Südamerikas, beides wegen der hohen Berge, aber das führt jetzt zu weit weg. Der nordkoreanische Eritreavergleich ist jedenfalls sehr sinnvoll, schließlich kennt der normale Leser Nordkorea wie seine Westentasche und sagt nach dem Lesen: Ach so ist das also in Eritrea, wie in Nordkorea, na, dann weiß ich Bescheid. Außerdem werden durch den Vergleich auch ein für allemal Gerüchte aus der Welt geräumt, Eritrea sei das Singapur oder Argentinien Afrikas. Der Vergleich ist aber noch gar nicht so alt. Früher war Eritrea nämlich das Tibet Afrikas, allerdings nicht wegen der Berge, sondern weil die Eritreer ihren Freiheitskampf gegen das übermächtige Äthiopien gewonnen hatten und die Europäer deshalb dem kleinen Land ähnlich zugetan waren wie den Tibetern in deren Kampf gegen China. Inzwischen wurde aus Tibet aber Nordkorea, wegen Diktatur.