Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Von Weisheit und Weltklugheit getragene Entscheidungen kennen kein Lebensalter. Das muss sich jeder vor Augen führen, der sich in naivem Staunen darüber gefällt, dass ein Hundertzehnjähriger das Rauchen aufgibt, damit ihm noch ein paar unbeschwerte Jahre bleiben. Warum sollten die Jahre nach dem hundertzehnten Geburtstag nicht überhaupt die allerschönsten Jahre sein? Gibt es denn jemanden, der das Gegenteil beweisen kann? Außerdem ist es doch ein offenes Geheimnis, dass Menschen ihre besten Entscheidungen eher nicht in ihrer Jugend treffen, wenn Verstand und Kalkül noch weichen gelben Küken gleichen, die nicht ahnen, dass der Weg zum Parkteich auch im Gulli sein zynisches Ende finden kann. "Was man in der Jugend wünscht, hat man im Alter die Fülle", das ist doch zur Abwechslung mal ein toller Goethe-Satz, sofern man ihn nicht ausschließlich auf Geld und Verstand bezieht. Dem früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi haben seine zahlreichen Gegner eher ein Ungleichgewicht zwischen Geld und Verstand attestiert. Von dem einen besitze er deutlich mehr als vom anderen. Und was, wenn sich das im Alter auspendelt? Wenn der nun bald Achtzigjährige nach Epochen wilder Unzurechnungsfähigkeit auf den Trichter kommt, dass Augenmaß und ein Zugewinn an Empathie durchaus eine Zierde der späten Jahre sein können?

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