Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Horst Seehofer, heißt es, werde immer beliebter, seitdem er Merkels Flüchtlingspolitik kritisiert. Nun ist das mit Seehofers Beliebtheit ungefähr so wie mit der Beliebtheit einer Luftpumpe. Eigentlich braucht man keine Luftpumpe. Aber wenn man gerade Fahrrad fährt und noch dazu einen Platten hat, dann ist eine Luftpumpe sehr beliebt. Die CSU übrigens ist die Lieblingspartei gerade jener Bayern, die sie nicht wählen. Der Mensch als solcher lässt sich nämlich am liebsten bestätigen: In der Zeitung will er das lesen, was er ohnehin selbst glaubt (wenn nicht, schreit er "Lügenpresse"); auf dem Oktoberfest will er jedes Jahr so viel Bier saufen, dass ihm wieder so schlecht wird wie letztes Jahr ("mei, ham mia gspiem"); im Politikgewese wiederum will er Seehofer reden hören und Söder sehen und dann weiß er, warum er die CSU nicht wählt.

Markus Söder, dies für unsere eher kulturinteressierten Leser aus Ost- und Norddeutschland, ist der bayerische Finanz- und Heimatminister, der unbedingt Kalif werden will anstelle des Kalifen. Es gibt die Theorie, dass das Finanz- und das Heimatministerium in Personalunion geführt werden, weil der in Bayern anhaltende Verkauf der Heimat an Wellnesshoteliers, Straßenbauer, Landschaftsversiegler und sonstige Investoren direkt im Zusammenhang mit mehr Diridari für das Finanzministerium steht. Söder jedenfalls will so dringend Ministerpräsident werden, dass er in der Woche ungefähr neun Interviews gibt. Dabei sagt er meistens das Gegenteil von dem, was der Seehofer sagt. Das ist für sich genommen schon eine Leistung, weil man ja nie genau weiß, welcher Meinung der Seehofer grade ist. Manchmal ist der Söder auch noch schärfer als der Seehofer. Wenn der Seehofer zum Beispiel Merkel für ihre Flüchtlingspolitik schimpft, dann will der Söder schon mal das Asylrecht abschaffen, jedenfalls a bisserl.

Der Söder hat einen Vorteil: Weil er so modern-bieder aussieht und mit so einem weichen fränkischen Unterton redet, könnte man ihn entweder für den Modeberater von Verkehrsminister Mautfred Dobrindt halten. Oder gar für den Chef des liberalen Flügels der CSU, dem sie angeblich in einem Wirtshaus kein Nebenzimmer geben wollten, weil nur fünf Leute kamen, darunter der alte Alois Glück, der kaum eine Zeche macht, weil er eh nix trinkt. Der Söder ist dann liberal, wenn er das Gefühl hat, er könnte als CSU-Liberaler noch früher Ministerpräsident werden. Seehofer will den Söder eigentlich verhindern. Das hat er mittels der netten Frau Aigner versucht. War nix. Jetzt hat er ein CSU-"Kompetenzteam" (das heißt wirklich so) berufen, in dem auch der Herr zu Guttenberg sitzt ( ja, genau der Guttenberg). Es soll Seehofer beraten. Wär kein Wunder, wenn dabei rauskäme, dass der Seehofer beschlösse, dass er eigentlich noch weitermachen solle. Er ist ja jetzt so beliebt.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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