Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Goethes Ballade "Der Sänger" wurde zwar ein paar Mal vertont, unter anderem von Loewe, Kreutzer und sogar Schubert. Das ändert aber nichts daran, dass es sich um einen eher sängerfeindlichen Text handelt. Der Sänger, wir erinnern uns, kommt an den Königshof und singt so schön, dass ihm der König eine goldene Kette überreichen will, nach heutiger Rechnung vielleicht 15 000 Euro oder mehr. Und was tut der Sänger? Er weist die Gabe zurück, vergleicht sich mit dem Vogel in den Zweigen und lässt sich einen Becher Wein reichen, den allerdings "in purem Golde". Das ist sein gutes Recht. Interessant in urheberrechtlicher Hinsicht wäre die Geschichte, wenn der Sänger keine Eigenkomposition dargeboten hätte, sondern ein geschütztes Werk. In dem Fall hätte es ihm passieren können, dass am Burgtor ein Mitarbeiter der Gema auf ihn gewartet und ihm ein Stück der Goldkette abgenommen hätte, eine auch für Goethe bittere Wendung der Dinge, denn dann hätte er sich die Ballade an den Hut stecken können.

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