Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Früher, als es noch keine sozialen Medien und damit auch keine Likebuttons gab, musste man seine Vorlieben und Abneigungen mithilfe von analogen Blechknöpfen zum Ausdruck bringen. An der Rückseite dieser Blechknöpfe waren Sicherheitsnadeln angebracht, mit denen man den Button an der Kleidung befestigen konnte. Sicherheitsnadeln waren abgerundete Nadeln, deren spitze Enden man in einer Art Verschlussnische einrasten ließ. Das nur als Hintergrundinformation, denn es ist für junge Leute immer schön und lehrreich, über die aus heutiger Sicht oft umständlichen Kulturtechniken der Älteren ins Bild gesetzt zu werden. Aber jetzt kommt es: Eine Sicherheitsnadel vermochte zwar zu verhindern, dass der Träger eines Buttons Stichverletzungen davontrug; sie schützte ihn aber nicht vor Sticheleien von Leuten, die grundsätzlich anderer Ansicht waren als der Buttonträger.

Einer der Gestichelten war überraschenderweise Markus Söder. Von ihm weiß man, dass er als Knabe ein Porträt von Franz Josef Strauß über dem Bett hängen hatte. Neu und von heiterer Frische ist dagegen, was der bayerische Finanzminister selbst kürzlich enthüllte: Er habe in den Siebzigerjahren einen Button, der die politischen Ideen Willy Brandts feierte, nach Hause gebracht. Die Reaktion seines Vaters habe ihm, Söder, klargemacht, dass SPD vor allem Ärger bedeute. Man weiß nicht genau, auf welche Weise Söders Vater den politischen Irrweg seines Sohnes korrigierte. Die aparte Anekdote erinnert jedenfalls daran, wie folgenschwer das Button-Tragen einmal war. Wer im Wahlkampfjahr 1980 den Stoppt-Strauß-Button trug, handelte sich viel Ärger ein bis hin zum Schulverweis. Stoppt-Strauß-Buttonträger reden noch heute gerne in Talkshows mit brechender Stimme über ihre Erfahrungen mit dem damals herrschenden politischen Grobschlächtertum. Einen letzten großen Auftritt erlebte der Button in den frühen Achtzigern, als es galt, der mit dem Nato-Doppelbeschluss verbundenen Nachrüstung entgegenzuwirken. Danach verschwand der Button in Schuhkartons, Schubladen oder in den Vitrinen den Hauses der Geschichte, wo viele Sachen liegen, die man theoretisch heute wieder einsetzen könnte, denen aber der Nimbus des Verbrauchten anhaftet.

Dies galt eine geraume Zeit lang auch für Sigmar Gabriel, dessen erlahmte Fortune freilich nach der Bundestagswahl neuen Schwung erfuhr. Zudem ist Gabriel in der Flüchtlingsfrage optimal aufgestellt und trug kürzlich im Bundestag einen von der Bild-Zeitung entworfenen Button am Revers mit der Aufschrift "Wir helfen". Da die Kanzlerin neben ihm saß, musste sie das "Wir" auch auf sich beziehen, lächelte aber souverän über den Button hinweg, während der Vizekanzler aussah, als warte er sehnlich darauf, endlich von seiner Chefin geliked zu werden.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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