Glosse:Das Streiflicht

Lesezeit: 2 min

(SZ) "Es könnte ein Hohn dünken, zugleich von Kunst und Proletariat zu sprechen." Clara Zetkin schrieb das vor beiläufig 100 Jahren, und sie führte den Satz dahin gehend fort, dass es im proletarischen Klassenkampf darum gehe, außer den Mägen auch die Köpfe zu füllen, auf dass die Kunst "aus einem Vorrecht verhältnismäßig weniger zu einem Gemeingut für alle" werde. Das war ein großer, hochherziger Entwurf, dem zwei Jahrzehnte später Bert Brecht mit den witzig-sarkastischen "Fragen eines lesenden Arbeiters" sekundierte, beispielsweise mit dieser: "Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?" Wieder 80 Jahre später und am Ende einer aufregenden Woche stehen wir vor der Frage eines lesenden Regierenden Bürgermeisters: "Peymann ist ein toller Theatermacher. Sind wir anderen deswegen lauter Trottel?" So hat Michael Müller, Berlins "Regierender", natürlich nicht gefragt, wohl aber hat er sich durch einen offenen Brief Peymanns zur Berliner Theater- und Kulturpolitik schnöde behandelt gefühlt und die Vermutung geäußert, dieser hätte seinen Brief anders formuliert, "wenn ich Dr. Michael Müller wäre".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: