Nach Protesten gegen die Sparpolitik und steigende Preise in Tunesien stockt die Regierung die Hilfen für Bedürftige auf. Sozialminister Mohammed Trabelsi kündigte nach einem Krisentreffen bei Präsident Béji Caïd Essebsi an, davon sollten 250 000 Familien profitieren. Mit Bürgschaften sollen sie zudem beim Kauf von Wohnungen unterstützt werden. Insgesamt will die Regierung dafür 170 Millionen Dinar ausgeben, umgerechnet 57 Millionen Euro. Auch soll künftig die medizinische Versorgung für Arbeitslose kostenlos und für alle Tunesier garantiert sein.
Essebsi beriet mit Parteien, Gewerkschaften und Arbeitgebern über die teils gewalttätigen Proteste, die am 7. Januar begonnen hatten. Auslöser waren Preissteigerungen und höhere Abgaben durch ein neues Finanzgesetz, das mit Jahresbeginn in Kraft trat. Bei den Demonstrationen wurden laut Innenminister 803 Menschen festgenommen, mindestens ein Demonstrant starb bei Auseinandersetzungen.
Vor genau sieben Jahren stürzte der Autokrat Ben Ali
Die Proteste waren zunächst abgeflaut. Am Sonntag demonstrierten jedoch erneut Hunderte auf der Avenue Bourguiba in Tunis. Die linken Oppositionsparteien der Volksfront nannten die Zugeständnisse lächerlich und riefen wie der mächtige Gewerkschaftsbund UGTT zu Kundgebungen auf. Auch jährte sich zum siebten Mal der Sturz des langjährigen Diktators Zine el-Abidine Ben Ali. Der Arabische Frühling war in Tunesien durch die Selbstverbrennung eines Gemüsehändlers ausgelöst worden und weitete sich zu Protesten gegen die schlechten Lebensbedingungen und die Unterdrückung durch die Diktaturen der Region auf andere Länder aus.
Das sogenannte Dialog-Quartett aus UGTT, dem Arbeitgeberverband Utica, der Menschenrechtsliga LTDH und der Anwaltskammer hatte 2015 den Friedensnobelpreis für seine Bemühungen um die Demokratisierung Tunesiens erhalten. Das Land schaffte als einziges diesen Übergang, leidet aber weiter unter wirtschaftlichen und sozialen Problemen. Die Staatsverschuldung beträgt 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die Inflation stieg bis Ende 2017 auf sechs Prozent. Auch die Arbeitslosigkeit von derzeit 15 Prozent wächst weiter, insbesondere unter Jugendlichen und Universitätsabsolventen.