Gewalt in Tibet:Diskussion um Boykott von Olympia

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Angesichts der Krise zwischen Tibetern und der chinesischen Regierung gibt es Forderungen, eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Peking zu überdenken. Doch die Reaktionen sind verhalten.

Nach dem massiven Vorgehen der chinesischen Sicherheitskräfte gegen Proteste in Tibet werden Forderungen nach einem Boykott der Olympischen Sommerspiele in Peking laut. Doch die Reaktionen darauf sind geteilt.

Das Olympiastadion in Peking ist fast fertig - doch wird es auch wirklich die Spiele beherbergen? (Foto: Foto: dpa)

Der Sportpolitiker der Grünen, Winfried Hermann, sprach von einem möglichen Boykott der Spiele in Peking als Konsequenz aus den blutigen Ereignissen. Sollte es zu einem Bürgerkrieg kommen, müsse über eine Absage der Olympischen Spiele nachgedacht werden, sagte Hermann der Berliner Zeitung vom Montag.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff, sprach sich jedoch gegen einen solchen Schritt aus. "Von einem solchen Boykott haben die Menschen in Tibet keinerlei Nutzen", sagte Schockenhoff derselben Zeitung.

Auch der Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Peter Danckert (SPD), lehnt einen Olympia-Boykott wegen des chinesischen Vorgehens in Tibet ab. Die Ereignisse würden deutlich machen, "dass China noch weit entfernt ist von dem Standard, den wir von einer Weltmacht erwarten", sagte der Politiker der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung.

Dalai Lama gegen Boykott

Er könne sich aber "nicht vorstellen, dass China sich von einem Boykott beeindrucken lässt". Nach Ansicht Danckerts ist der Sport "nicht das Allheilmittel gegen Krieg und Unruhen in der Welt". "Was die Staatsmänner der Welt nicht hinkriegen, das kann man nicht dem Sport zuschieben."

Zuvor hatten die Exil-Tibeter in Deutschland gefordert, die Teilnahme bei den Olympischen Spielen in Peking zu überdenken. Der VDT-Vorsitzende Lhanzom Evelding sagte der Bild am Sonntag: "Die ganze Welt muss jetzt darüber nachdenken, ob sie noch an den Spielen in China teilnehmen will. Das beste wäre, die Spiele in ein Land zu verlegen, in dem die Menschenrechte geachtet werden."

Das geistliche Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, spricht sich dagegen weiterhin für eine Austragung der Spiele in Peking aus.

Auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte einen Boykott der Pekinger Sommerspiele abgelehnt. "Wir glauben, dass ein Boykott keine Lösung ist", sagte IOC-Präsident Jacques Rogge auf der Karibikinsel St. Kitts. "Im Gegenteil, er bestraft unschuldige Athleten." Außerdem sei das IOC immer gegen Boykotte der Spiele gewesen und es sei nicht die Aufgabe des Komitees, die Menschenrechtssituation in Tibet zu verbessern.

In der Olympischen Geschichte hat es mindestens vier Boykotte gegeben, die meist nicht mehr als eine Bestrafung der Athleten gebracht hätten, sagte indes der Vizepräsident der Internationalen Gesellschaft für Olympische Historiker, David Wallechinsky. Er kritisierte aber die Entscheidung, die Spiele überhaupt nach Peking zu vergeben. "Das IOC hat Ärger bewusst in Kauf genommen, als es die Olympischen Spiele in ein Land mit einer Diktatur vergeben hat", sagte er.

Dialog statt Boykott

Der Chef des Schweizerischen Olympischen Komitees, Jörg Schild, forderte denn auch das IOC zu einer Intervention in China auf. Sollte das IOC weiter schweigen, werde er bei der Organisation seinem Unbehagen Ausdruck geben. Für ihn sei "der Rubikon überschritten." "Ich bringe es nicht fertig, zu sagen, wir gehen jetzt dort hin, um Sport zu treiben."

IOC-Vizepräsident Thomas Bach erklärte, das IOC werde mit China über Menschenrechte sprechen. Ein Boykott wäre aber der falsche Weg, weil er Kommunikationswege unterbrechen würde.

Die EU sprach sich ebenfalls dafür aus, Peking zu einem Ende der Gewalt und die Aufnahme eines Dialogs mit den Tibetern zu bewegen.

EU-Justizkommissar Franco Frattini sagte laut einer Meldung der italienischen Nachrichtenagentur ANSA aber auch, die Olympischen Spiele müssten in einer Atmosphäre "wahrer Brüderlichkeit" stattfinden. "Andernfalls wäre dieses Fest des Sports ernsthaft in Gefahr."

Der Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, sagte dem Tagesspiegel am Sonntag, die Möglichkeiten seiner Organisation, Menschenrechte in China durchzusetzen, sei "sehr beschränkt". Er gehe aber davon aus, dass "gerade die internationale Aufmerksamkeit wegen Olympia eine friedliche Lösung in Tibet eher befördern" werde.

© AFP/Reuters/dpa/ihe/gal/maru - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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