Gesundheitsreform:Mühsamer Kompromiss, der Probleme schafft

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Nach langen und zähen Verhandlungen ist er nun da, der Gesundheitskompromiss der Großen Koalition. Doch Union und SPD müssen auf dem Weg zu einem Gesetzestext noch etliche Hürden überwinden.

Andreas Hoffmann

Nach dem mühsamen Kompromiss von Montagnacht sind nun die Einzelheiten der Einigung bekannt. Wer die Details genauer betrachtet, entdeckt, dass Union und SPD noch viele Probleme lösen müssen, wenn aus dem Kompromiss ein Gesetzestext werden soll.

Kassenbeiträge:

Nach den Plänen der Regierung soll der durchschnittliche Kassensatz 2007 um 0,5 Prozentpunkte auf 14,7 Prozent des Bruttolohnes steigen. Damit soll vor allem das zu erwartende Defizit der Kassen von sieben Milliarden Euro im nächsten Jahr ausgeglichen werden. Der Rest soll durch Einsparungen erzielt werden.

Nach Ansicht der Kassen könnten die Beiträge aber stärker zulegen. Noch immer sind viele Kassen verschuldet, Experten schätzen diese Brutto-Verbindlichkeiten auf eine Summe zwischen drei und vier Milliarden Euro. Im nächsten Jahr sollen die Kassen aber ihre Kredite vollkommen abbauen und eine Finanzreserve anhäufen, damit sie gut in den Gesundheitsfonds starten können, der 2008 eingeführt werden soll.

Der Fonds sieht außerdem vor, dass einzelne Kassen einen Zusatzbeitrag ("kleine Kopfpauschale") von ihren Versicherten erheben dürfen, wenn die Zuweisungen aus dem Fonds nicht ausreichen. Große Versorgerkassen wollen diese Pauschalen vermeiden, weswegen sie sich vorsorglich ein Finanzpolster zulegen werden.

Aus diesen Gründen könnte die zu finanzierende Summe der Kassen im nächsten Jahr auf zehn bis zwölf Milliarden Euro klettern und der Durchschnittsbeitrag um einen Prozentpunkt steigen.

Einsparungen:

Die Koalition will auch sparen, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) rechnet mit einer Summe von 3,5 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Allerdings soll knapp die Hälfte davon das bereits verabschiedete Arzneisparpaket erwirtschaften.

Daneben sollen Apotheken 500 Millionen Euro einsparen, in dem sie den Kassen mehr Rabatte einräumen. Die Kliniken sollen ebenfalls 500 Millionen Euro weniger ausgeben und ihre Budgets entsprechend senken.

Weitere Einsparungen erhofft sich Schmidt dadurch, dass der Zuschuss zu Fahrtkosten von Patienten zu Ärzten oder Kliniken um drei Prozent gekürzt wird. Hilfsmittel, wie Krücken oder Rollstühle, sollen durch Ausschreibung in der Herstellung billiger werden. Schließlich sollen die Apotheken Pillen auch einzeln abgeben dürfen.

Ob all die veranschlagten Milliarden tatsächlich gespart werden, ist eher zweifelhaft. Die Kliniken etwa empfinden den Sparvorschlag als Provokation. Sie verweisen darauf, dass sie kaum sparen können, weil die Ärzte künftig mehr verdienen würden, wie der Tarifabschluss und die anhaltenden Arbeitskämpfe bei den kommunalen Kliniken zeigten.

Prävention: Die

Koalition will ein eigenes Gesetz zur Prävention verabschieden. Die Kassen sollen für 45- bis 55-Jährige Angebote zur Früherkennung vorlegen, ähnlich wie bei den Vorsorgescheckheften beim Zahnersatz. Dafür sollen Bonus/Malus-Regelungen gelten, damit die Bürger die Leistungen beanspruchen. Wer Angebote ausschlägt und später chronisch erkrankt, soll sich stärker an den Behandlungskosten beteiligen.

Private Krankenversicherung:

Privatversicherte sollen leichter ihren Anbieter wechseln und ihre angesparten Altersrückstellungen mitnehmen können. Für freiwillig Versicherte, also gutverdienende Angestellte, soll es einen Basistarif geben, der den Leistungen der gesetzlichen Kassen entspricht.

Dabei dürfen die Privatkassen keinen Kunden ablehnen oder Risikozuschläge für Kranke verlangen. Die Prämien sollen bezahlbar sein. Dies birgt Probleme. So ist unklar, unter welchen Bedingungen Privatversicherte wieder zu den Kassen wechseln dürfen.

Bisher gilt eine Altersgrenze von 55 Jahren. Offen ist, wie die Rückstellungen transportabel gemacht werden sollen. Viele Experten halten dies für kaum machbar. Sie erwarten zudem, dass die Prämien durch die Pläne steigen.

© SZ vom 5.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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