Gesundheitsreform im Bundestag:"Willkommen in der Solidarität"

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Als Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Vorzüge ihrer Reform aufzählte, klang das wie eine lästige Pflicht. Die Opposition hatte bei ihrer Kritik sichtlich mehr Spaß.

Thorsten Denkler, Berlin

Einer hatte am frühen Morgen im Bundestag erhebliche Anschlussprobleme: Karl Lauterbach. Der Professor und SPD-Gesundheitsexperte suchte die Nähe von Fraktionschef Peter Struck und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Mehr als ein kurzen Händedruck und ein gequältes "Guten Morgen" brachten beide nicht über die Lippen.

Andere würden sagen, sie haben ihn abblitzen lassen, den schärfsten Kritiker der Gesundheitsreform, die an diesem Morgen beschlossen wurde. FDP-Fraktionschef Guido Westerwelle fragte später in der Debatte, ob man den Namen Lauterbach in der SPD überhaupt noch nennen dürfe.

Lauterbach, der angekündigt hatte, gegen die Reform zu stimmen, nahm Platz in der fünften Sitzreihe und versuchte nicht weiter aufzufallen. Weder durch Applaus noch durch Zwischenrufe. Er las Akten. Diese Reform, sie ist nicht die seine.

Aber wessen Reform ist sie schon? Die Verteidigungsversuche von Ulla Schmidt, des CSU-Gesundheitsexperten Wolfgang Zöller, seiner SPD Kollegin Elke Ferner wirkten bemüht. Der Applaus aus den eigenen Reihen war verhalten. Bundeskanzlerin Angela Merkel saß zwar auf ihrem Platz, selbst reden wollte sie aber nicht. Jubelstimmung über den Abschluss einer großen Reform sieht anders aus.

Schmidt las nacheinander die Vorteile für Alte und Schwerstkranke von ihrem Redezettel ab, sprach von der transparenten Gebührenordnung für die Ärzte, von Prävention, die Vorrang vor Behandlung haben werde, von der Pflichtversicherung für alle, vom neuen Wettbewerbsgedanken in der gesetzlichen wie in der privaten Krankenversicherung: "Willkommen in der Solidarität". Auf die Finanzierungsprobleme und mögliche Beitragssatzerhöhungen ging sie gar nicht ein.

Am ungeliebten Fonds kam sie nicht vorbei. Er ist das Herzstück der Reform. Und, wie Schmidt sagt, ein "sehr nützliches Instrument, um die Solidarität zu stärken". Mit dem Instrument wird ein bundeseinheitlicher Beitragssatz geschaffen.

Für Schmidt ein sinnvoller Vorgang: Keiner könne erklären, warum die eine Rentnerin bei gleicher Leistung und Behandlung mehr zahlen soll, als eine andere Rentnerin, nur weil diese in einer anderen klasse ist.

Oppositionsführer Guido Westewelle entgegnete, mit der gleichen Argumentation "kann die große Koalition in den kommenden Woche den Brotpreis in Deutschland festlegen", um dann noch das böse Wort von der Planwirtschaft zu gebrauchen. "Lieber gar keine Reform als eine so vermurkste Reform", sagte der FDP-Politiker.

Da war er sich mit Linksfraktionschef Gregor Gysi einig, der von einem "Gemurkse, das kein einziges Problem löst" sprach. Die Koalition mache aus der Krankenversicherung eine Autoversicherung mit Teilkasko-Prinzip.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach von einer Tragikkomödie. Die Koalition handele mit ungedeckten Schecks und müsse die Steuern erhöhen. "Dieses ist kein Durchbruch, dieses ist ein Stümperwerk". Dem kleinen Mann werde wieder in die Tasche gegriffen. Für solche Sätze waren früher immer die Sozialdemokraten zuständig. Aber die Zeiten ändern sich.

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