Gespräch mit Andrea Nahles:"Das ist ein bisschen wie Almauftrieb"

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Andrea Nahles, designierte SPD-Vizechefin, über das Gute und das Schlechte an der Agenda 2010, die neue Macht von Kurt Beck, Aufschwung für alle, den Parteitag und Schulspeisungen.

H.-J. Jakobs, N. Fried und T. Denkler

Andrea Nahles, 37, bekennende Linke, ist seit 1988 Mitglied der SPD und stand von 1995 bis 1998 den Jungsozialisten vor. Seit November sitzt die Bundestagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz im SPD-Vorstand. Die Literaturwissenschaftlerin liest privat gerne Romane.

Es sind die immerwährenden Verteilungsfragen, die zu einer linken oder rechten Politik führen, sagt Andrea Nahles. (Foto: Foto: Denkler)

sueddeutsche.de: Frau Nahles, was heißt in diesen Tagen "links"?

Andrea Nahles: Ein Kernbegriff ist für mich Chancengleichheit. Jeder soll sein Leben selbstbestimmt leben können, ungeachtet von seiner Herkunft die eigenen Talente entwickeln können. Das ist kein Selbstläufer. Dafür sind Strukturen notwendig, zum Beispiel um wirklich für alle freie Bildungszugänge zu ermöglichen oder die beste Gesundheitsversorgung. Das ist die Aufgabe von Politik - nicht von ihr alleine, aber sie muss es möglich machen.

sueddeutsche.de: Für den früheren SPD-Vorsitzenden und Kanzler Gerhard Schröder gab es nur gute oder schlechte Politik, keine linke oder rechte. Was war daran falsch?

Nahles: Es gibt linke und rechte Politik, weil es unterschiedliche Interessen gibt. Und die haben sich nicht, schnipp, mal eben aufgelöst, weil wir - durchaus zeitaktuell - damals die Neue Mitte aufs Schild gehoben haben. Es gibt Arme und Reiche. Es gibt Eltern, die sich wunderbar um ihre Kinder kümmern, andere schaffen das nicht. Mittelständische Betriebe wollen nicht selten andere staatliche Rahmenbedingungen als Großkonzerne. Die privaten Krankenversicherungen lobbyieren für den Status quo, die Gesundheitspolitik muss den Status quo überwinden.

Es geht darum, wo investiert wird, welches Gesetz den Markt wie beeinflusst, wie Wohlstand für alle erreicht werden kann. Ja, das sind auch Verteilungsfragen.

sueddeutsche.de: War die Neue Mitte nur Mittel zum Zweck?

Nahles: Ich bin schlicht Realist. Solange Interessenkonflikte zu harten Auseinandersetzungen führen, solange gilt die politische Himmelsgeographie - hier links, dort rechts.

Die Neue Mitte gab das Lebensgefühl Ende der Neunziger gut wieder. Alles boomte, viele fühlten sich als Globalisierungsgewinner, viele waren es auch. Dann kam der große Crash, es kamen fünf Jahre Stagnation - und mit einem Mal viele neue Unsicherheiten.

sueddeutsche.de: Sie haben wohl nie an die Neue Mitte geglaubt.

Nahles (lacht): Die Idee von der Neuen Mitte hat versucht, moderne Arbeitsweisen in der Kreativwirtschaft und neue Selbständigkeit aufzugreifen und mit den klassischen Facharbeitern und ihren Anliegen zu verbinden. Und tatsächlich ist es für die SPD so gelungen, neue Milieus anzusprechen. Sie hat eine wichtige Debatte über die frühkindliche Bildung angestoßen und dafür viel Geld zur Verfügung gestellt.

Eine Antwort auf die neuen sozialen Fragen, die durch stärkere Erwerbsunterbrechungen, den Ausbau des Niedriglohnsektors und durch eine allgemeinen Leistungsverdichtung auch in den Familien angekommen sind, wurde aber nicht ausreichend gesehen oder gar gefunden. Das haben wir verstärkt erst in den letzten zwei Jahren angepackt. Deshalb haben wir in unserem neuen Grundsatzprogramm die "solidarische Mehrheit" adressiert.

sueddeutsche.de: Wahlen werden in der Mitte gewonnen. Passt da Ihr neuer Begriff von der "solidarischen Mehrheit"?

Nahles: Wir Sozialdemokraten sprechen bewusst die Mehrheit unserer Gesellschaft an. Ja. Wir glauben aber auch, dass es eine Grundsolidarität gibt zwischen den Menschen - die wollen nicht Ghettos entstehen lassen wie in den USA und Vorstädte wie in Frankreich. Das schafft nicht mehr Sicherheit, sondern weniger und es verändert den Geist einer gesamten Gesellschaft negativ, wenn zu viele keine Perspektiven haben.

sueddeutsche.de: Wie verträgt sich der Begriff von der "solidarischen Mehrheit" mit der neuen Eigensicht als "linker Volkspartei"?

Nahles: Linke Volkspartei, das ist doch nun wirklich nichts Neues - sondern eine selbstverständliche Selbstbeschreibung der SPD. Wir haben uns schon immer so verstanden. Tut mir wirklich leid.

sueddeutsche.de: ... vielleicht haben das einige Genossen ja nur vergessen.

Nahles: Ihre Fragen intendieren ja etwas - die Vorstellung von der großen Abkehr der Mitte-Orientierung der SPD. Ich selbst habe mich immer als "links" bezeichnet. Gleichzeitig war mir immer klar: Wir Sozialdemokraten müssen eine Volkspartei sein, die es schafft ein Bündnis von Mittelschicht und denen, die von Ausgrenzung bedroht sind, zu schmieden.

Der Begriff "Neue Mitte" war insofern kein Substitut für das Verständnis von einer linken Volkspartei.

sueddeutsche.de: War er insofern ein Irrweg?

Nahles: Überall in Europa gab es solche Strategien - insbesondere in England, Holland und Skandinavien. Man darf doch feststellen, dass dies für die Länder insgesamt Fortschritte gebracht hat - für die jeweiligen sozialdemokratischen Parteien aber mit großen Problemen verbunden war.

Gordon Brown erneuert in Großbritannien ja gerade die Labour-Partei aus der Regierung heraus. Dort war es vor allem die Beteiligung am Irak-Krieg, die das Volk zusehends störte - das hat uns Gerhard Schröder Gott sei Dank erspart, indem er sich hier richtig positioniert hat.

sueddeutsche.de: Also - zurück zu den Wurzeln als Losung der SPD?

Nahles: Das Geheimnis der SPD als linker Volkspartei ist: Wenn wir uns nicht immer verändern würden, wären wir nicht 146 Jahre alt geworden. Nur wer irgendwann stehen bleibt, und sei es im Jahre 2003, verliert den Schwung für die Zukunft.

sueddeutsche.de: 2003 war das Jahr der Agenda 2010. Parteichef Kurt Beck hat ja schon vor Monaten das "Ende der Zumutungen" ausgerufen - wahrscheinlich, weil mit Wohltaten leichter Wahlen zu gewinnen sind als mit Zumutungen.

Andreas Nahles hielt die Agenda 2010 einmal für konzeptionslos, instinktlos und perspektivlos. (Foto: Foto: Denkler)

Nahles: Das ist falsch. In einer Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs ist es die Aufgabe der SPD, dafür zu sorgen, dass dieser Aufschwung nicht nur wenigen, sondern allen zugutekommt. Kurt Beck regiert seit 15 Jahren ein wirtschaftlich prosperierendes Bundesland nicht deshalb erfolgreich, weil er Wohltaten verteilt, sondern weil er richtige Weichen gestellt hat, zum Beispiel den Ausbau des Flughafens Hahn. Und trotzdem auch durch regionale Strukturförderung und eine sehr moderne Bildungspolitik dafür gesorgt hat, dass alle Bürgerinnen und Bürger davon etwas haben.

Auf der Bundesebene heißt Aufschwung für alle, zum Beispiel Mindestlöhne für alle durchzusetzen.

sueddeutsche.de: Auf den Mindestlohn kann die Politik Einfluss nehmen, nicht aber auf die Lohnfindung in der Tarifautonomie.

Nahles: Richtig. Aber die Politik kann das Klima und die Debatten um den Lohn indirekt beeinflussen. Das verändert Spielräume für Tarifpartner. Wenn man das Land krank redet, wie es fast während der gesamten rot-grünen Bundesregierung passiert ist, dann nützt das den Interessen der Arbeitgeber.

sueddeutsche.de: Die Agenda 2010 haben Sie schon vor vier Jahren als "konzeptionslos, instinktlos, perspektivlos" bezeichnet. Wie froh sind Sie, dass diese Reform jetzt zur Verschrottung ansteht?

Nahles: Mein Onkel hat einen großen Schrotthandel. Die Agenda 2010 gehört da nicht hin und würde auch nicht genommen. Das Zitat stammt aus dem Jahr 2003. Und damals wie heute hätte ich mir gewünscht, dass es eine klare Begründung und eine klare Beschreibung ihrer Ziele gegeben hätte. Einen Sozialstaat kann man nicht aufrechterhalten, wenn er nicht von den Bürgerinnen und Bürgern getragen wird - das gilt auch dann, wenn man ihn verändern muss.

Das massive Imageproblem, was wir in puncto Hartz IV bis heute haben, obwohl wir die materiellen Leistungen für alle Sozialhilfeempfänger verbessert haben - immerhin fast eine Millionen Menschen -, wäre vermeidbar gewesen. Die Grundidee der Agenda 2010, die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II sowie die Reformen bei der Agentur für Arbeit, das alles war richtig. Aber einiges eben auch nicht.

sueddeutsche.de: Was stimmte inhaltlich nicht an der Agenda?

Nahles: Die Pauschalierung der Leistungen im Arbeitslosengeld II fand ich von der Idee richtig, aber heute frage ich mich, ob wir nicht besser hier und da Kindern in Armut besser helfen könnten, wenn es bei Sachleistungen geblieben wäre. Darüber muss man mal ehrlich reden.

An anderen Stellen wurde längst nachjustiert. Das Schonvermögen, das zur Berechnung der ALG-II-Zahlungen nicht herangezogen werden darf, wurde bereits erhöht. Auch gibt es die Personal-Service-Agenturen und die Ich-AG nicht mehr - alles Elemente, die ursprünglich im Paket enthalten waren. Und hätten wir das nicht tun sollen? Im Prozess der Umsetzung die Ohren aufsperren, den Leuten zuhören und ändern, wo es nötig ist?

sueddeutsche.de: Bleiben noch die Zahlungen an ältere Arbeitslose, die SPD-Chef Beck von 18 auf 24 Monate verlängern will.

Nahles: Ja, es bleibt dieser eine Punkt beim Arbeitslosengeld I.

sueddeutsche.de: Sie haben von Anfang an eine "soziale Unwucht" der Reform beklagt. Ist die mit den Beck-Vorschlägen korrigiert?

Nahles: Auch das ist eine Weile her und inzwischen bin ich sehr froh über die Schwerpunkte, die sich die SPD gemeinsam gesetzt hat. Dazu gehört ein gleitender Ausstieg aus dem Erwerbsleben mit Teilrente und Zusatzbeiträgen, die Eindämmung von Missbrauch bei der Leiharbeit, Mindestlöhne sowie die Veränderung beim Arbeitslosengeld, die Kurt Beck vorgeschlagen hat.

Gut ist, dass auch die Kinderarmut in den Fokus der politischen Arbeit rückt und konkret darüber nachgedacht wird, den Kinderzuschlag zu erhöhen - aber auch da, wo wir merken, dass die Elternverantwortung nicht ausreicht, Mittel direkt im Interesse der Kinder einzusetzen. Die haben dann zuweilen schöne Handys, aber nichts im Magen. Wir haben in Rheinland-Pfalz beispielsweise mit Erfolg das kostenlose Mittagessen für diese Kinder in Ganztagsschulen eingeführt. Solche direkten Hilfen muss es in ganz Deutschland geben.

suedeutsche.de: Es bleibt der Eindruck, die Agenda werde aus gefühlten Gerechtigkeitsgründen geändert.

Nahles: Die Agenda wirkt, sie hat dem Arbeitsmarkt genutzt. Es geht dabei nicht um gefühlte Ungerechtigkeit. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist für alle Arbeitslosen besser geworden.

Im August waren 54,3 Prozent der älteren Arbeitslosen länger als ein Jahr arbeitslos, 34,4 Prozent schon länger als zwei Jahre. Die Arbeitslosenquote Älterer liegt über dem Durchschnitt. Für diejenigen, die nicht gut qualifiziert sind, ist es generell sehr schwierig, das gilt besonders, wenn sie zusätzlich auch noch älter sind.

sueddeutsche.de: Ist es nicht konsequent, das längere Arbeitslosengeld an verpflichtende Weiterbildungen und Qualifizierungen zu koppeln, wie es Vizekanzler Franz Müntefering will?

Nahles: Ja, das ist bereits gesetzlich verankert. Das kann noch ausgebaut werden. Ich habe überhaupt nichts dagegen, mehr in die Weiterbildung Älterer zu investieren. Ältere, die schlecht qualifiziert sind, haben doppelt schlechte Chancen.

sueddeutsche.de: Warum werden Münteferings Vorschläge dann nicht aufgenommen?

Nahles: Wurden sie doch. Wir wollen zum Beispiel, dass die Bundesagentur für Arbeit bis 2011 eine Milliarde Euro pro Jahr für die älteren Arbeitslosen ausgibt. Also für deren Qualifizierung und Weiterbildung. Und haben festgelegt, dass die Arbeitsagenturen sich noch besser als bisher um die Älteren kümmern sollen - inklusive Vermittlung. Dafür haben die Agenturen dann übrigens auch mehr Zeit. Aber es ist eben eine Ergänzung zu den Vorschlägen von Kurt Beck, keine Alternative dazu.

sueddeutsche.de: Warum eigentlich überhaupt irgendwas ändern? Die bisherigen Regelungen rund um das Arbeitslosengeld - dessen Zahlung von der Schröder-Regierung verkürzt wurde - scheinen ja zu wirken.

Nahles: Ich sage Ihnen, was wirkt: Es gibt heute keine zeitlich unbegrenzte Arbeitslosenhilfe mehr in Kombination mit einer Frühverrentung aus der Arbeitslosigkeit ab 60. Das ist vorbei. Rente nach Arbeitslosigkeit gibt es erst ab 63 - und auch nur noch für die Menschen mit Geburtsjahr bis einschließlich 1951 und mit hohen Abschlägen. Und statt der am früheren Lohnniveau orientierten Arbeitslosenhilfe gibt es das Arbeitslosengeld II als Grundsicherung. Diese ganzen Frühverrentungsketten sind heute nicht mehr möglich. Trotzdem haben Ältere es definitiv schwerer, eine neue Stelle zu finden.

sueddeutsche.de: Müntefering hat also auf der ganzen Linie unrecht?

Nahles: Müntefering tut mit dem Programm 50Plus, mit öffentlichen Beschäftigungsangeboten für Ältere, der sogenannten Jobperspektive, und einer verstärkten Anstrengung zur Weiterbildung sehr viel, was wir alle unterstützen. Diese Konfrontation bezieht sich auf einen Aspekt eines großen Paketes.

sueddeutsche.de: Neues Ungemach könnte auf die Partei zukommen, wenn Müntefering nach dieser Niederlage die Koffer packt und seinen Posten räumt. Was macht die SPD dann?

Nahles: Franz Müntefering hat erklärt, dass er gerne Arbeitsminister und Vizekanzler ist. Wir brauchen ihn.

sueddeutsche.de: Wie wollen sie Ihr Konzept der Union in der Großen Koalition verkaufen? Die Christdemokrakten haben diametral andere Vorstellungen.

Nahles: Das Konzept von Jürgen Rüttgers, das der CDU-Parteitag in Dresden beschlossen hat, spielt verschiedene Generationen gegeneinander aus. Es ist ungerecht. Er belastet junge Menschen und Frauen ganz besonders.

Sie müssen ja erstmal zehn Jahre am Stück eingezahlt haben, bevor sie überhaupt Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Wie soll das gehen, wenn sie wegen der Kinder ihre Erwerbsbiographie unterbrechen? Wir werden mit unserem besseren Vorschlag die Union stellen und herausfinden, wie ernst die es tatsächlich gemeint haben.

sueddeutsche.de: In der SPD wird darüber geredet, Andrea Nahles hätte sozusagen als gute oder böse Fee, je nach Sicht, dem Parteivorsitzenden Beck die neue Strategie eingeflüstert.

Nahles: Das ist ein an den Haaren herbeigezogener Blödsinn.

sueddeutsche.de: Hat der Streit der SPD geschadet? In den Umfragen hat sie ja bisher nicht punkten können.

Nahles: Die Aufgabe ist, nicht auf die Umfragen der nächsten Wochen zu schielen, sondern die richtigen Weichenstellungen für das Jahr 2009 vorzunehmen.

sueddeutsche.de: Für die Agenda 2010 haben viele in der Partei gelitten und gestritten. Das soll jetzt alles umsonst gewesen sein?

Nahles: Ich habe genügend Argumente in diesem Interview angeführt, die andere Schlussfolgerungen zulassen. Es wäre doch wirklich fahrlässig, wenn der Parteivorstand der SPD nicht auf der Höhe der Zeit nach neuen Antworten suchen würde. Das sieht die gesamte Führungsspitze so.

sueddeutsche.de: Die Konjunktur wird nicht ewig brummen. Ist Ihre Politik auch abschwungtauglich?

Nahles: Arbeit besser statt billiger zu machen, wird auch in der nächsten Konjunkturdelle ein wichtiges Leitmotto sein. Das Prinzip gute Arbeit, das wir auf die Tagesordnung auch der Großen Koalition gesetzt haben, ist kein Schönwetterthema. Mindestbedingungen, Gesundheitsprävention, mehr Qualifizierung sind in einem Hochlohnland wie Deutschland unverzichtbar und damit Dauerbrenner. Unsere Aufgabe ist es darüber hinaus, zusätzliche und moderne Arbeitsplätze etwa in der Umweltbranche oder in der Pflege zu entwickeln.

sueddeutsche.de: Was wird aus der Konsolidierung der Haushalte? Diese Politik hat Ihre Partei ja auch forciert.

Nahles: Da müssen wir weitermachen. Diese Politik ist natürlich angewiesen auf die aktuellen Steuereinnahmen. Aber bei Peer Steinbrück ist sie in guten Händen.

sueddeutsche.de: Finanzminister Steinbrück und Außenminister Frank-Walter Steinmeier werden mit Ihnen zu den Stellvertretern von Parteichef Beck gehören. Beide scheinen in dieser Debatte um das Arbeitslosengeld gehörig entmachtet worden zu sein. Sie hatten ja stets gesagt, an der Agenda dürfe nicht gerüttelt werden und dazu ein Buch veröffentlich: "Auf der Höhe der Zeit".

Nahles: Das sehe ich völlig anders. Ich bitte, doch mal auf dem Teppich zu bleiben. Das, was wir an Aufregungen erleben in diesen Tagen, ist doch nun wahrlich nicht ungewöhnlich. Das war vor Parteitagen nie anders. Das ist ein bisschen wie ein Almauftrieb.

sueddeutsche.de: Klingt eher nach Almabtrieb.

Nahles: Nach dem Parteitag unterhalten wir uns noch mal.

sueddeutsche.de: Wie werden die Rollen unter den drei Stellvertretern verteilt?

Nahles: Da sprechen wir gerade drüber. Klar ist, dass es auch inhaltliche Zuständigkeiten geben wird.

sueddeutsche.de: Sie werden sicher die meiste Zeit haben, Themen zu besetzen, weil sie nicht noch nebenbei ein Ministerium zu führen haben.

Nahles: Ich habe damit auch den kleinsten Apparat von allen.

sueddeutsche.de: Das hat Sie bisher nicht daran gehindert, sich kritisch zu äußern.

Nahles: Meine neue Rolle beinhaltet stärker, als ich das in der Vergangenheit musste, den Laden zusammenzuhalten. Ich weiß, wo ich herkomme und bleibe mir auch treu. Aber ich weiß auch, wo in dieser Aufgabe meine Verantwortung liegt.

sueddeutsche.de: Die Frage der Umverteilung und Verteilungsgerechtigkeit dürfte eher Ihr Beritt sein, als der von Steinmeier und Steinbrück.

Nahles: Wir werden uns alle hinter dem Begriff der Chancengleichheit versammeln. Machen Sie sich mal keine falschen Hoffnungen.

sueddeutsche.de: Was macht Parteichef Beck besser als seine Vorgänger?

Nahles: Er hat wie jeder seiner Vorgänger einen eigenen Stil. Er hat in den letzten Monaten Entscheidungsprozesse transparenter gestaltet - ob bei dem flexiblen Rentenkonzept, ob bei der Deutschen Bahn. Die Gremien werden einbezogen.

sueddeutsche.de: Wäre er nicht stärker, wenn er als Mitglied des Bundeskabinetts auftreten könnte?

Nahles: Das ist nicht auf der Tagesordnung.

sueddeutsche.de: Vielleicht auf Ihrer Wunschliste?

Nahles: Das ist nicht auf der Tagesordnung. Das ist nicht auf der Tagesordnung. (Lacht) Das ist nicht auf der Tagesordnung. Und auf meiner Wunschliste auch nicht ...

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