Gesetzentwurf zu Vaterschaftstests:Männer machen's heimlich

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Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über die rechtliche Wirksamkeit privater Vaterschaftstests. Sollte es dem heimlichen Test irgendeine Bedeutung vor Gericht einräumen, wäre das eine Sensation.

Heribert Prantl

Wann ist ein Mann ein Mann? In seiner gesungenen Psychoanalyse über männliche Art und Eigenart hat Herbert Grönemeyer unter anderem festgestellt, dass Männer heimlich weinen.

Gewissheit aus dem Reagenzglas: Als Vater eines Kindes gilt nach dem Gesetz der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist - oder derjenige, der mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anerkannt hat. (Foto: Foto: dpa)

Dass sie nach dem Weinen heimlich ins Genlabor eilen, um dort analysieren zu lassen, ob das Kind auch ihr Kind ist - das konnte Herbert Grönemeyer, als er den Song schrieb, noch nicht berücksichtigen; die gentechnischen Möglichkeiten waren damals, im Jahr 1984, noch nicht so weit.

Heute kann jeder Mann, der zweifelt, ob er wirklich der Mann war oder ob er nur ein Scheinvater ist, das für gute hundert Euro in einem privaten Genlabor feststellen lassen. Er grabscht also verstohlen den Schnuller oder Kaugummi des Kindes und gibt ihn mit ein paar eigenen Haaren zur Untersuchung ab.

Dann hat der Mann Gewissheit. Dieser Gewissheit folgt der womöglich sehr viel schwierigere Umgang mit dieser Gewissheit. Womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären: Männer weinen heimlich.

Das Bundesverfassungsgericht wird sich an diesem Dienstag massiv in den Gang der Dinge einschalten: In dem mit Spannung erwarteten Urteil geht es um die Frage, ob heimliche Vaterschaftstests in gerichtlichen Verfahren akzeptiert werden können. Alle bisherigen Instanzen hatten das verneint - das Amtsgericht Hildesheim, das Oberlandesgericht Celle und der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Sollte das Verfassungsgericht dem heimlichen Vaterschaftstest irgendeine rechtliche Bedeutung geben, wäre das eine Sensation. Diese Sensation ist nicht zu erwarten.

Das geltende Recht geht nicht gut um mit zweifelnden Vätern

Zu lösen ist eine sogenannte Grundrechtskollision: Es stehen gegeneinander das Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht des Vaters auf Kenntnis der Abstammung des Kindes. Ein solcher Konflikt kann von dem Vater nicht selbstherrlich gelöst werden, also durch einen von ihm - abseits von Recht und Gericht - beschafften heimlichen Vaterschaftstest.

Baden-Württemberg hat im Bundesrat einen Gesetzentwurf eingebracht, der genau dies zum Ziel hat: Der zweifelnde Vater soll das Recht haben, heimlich einen Test zu machen und mit dem Ergebnis zum Gericht zu laufen. Es hätte weitreichende Auswirkungen, wenn der Entwurf Gesetz würde - das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wäre zerkleinert, nicht nur im Falle von Vaterschaftstests. Ein solches Gesetz wäre der Startschuss dafür, dass genetisches Material eines Menschen zu welchem Zweck auch immer heimlich von anderen ausgewertet werden könnte.

Es ist nicht zu erwarten, dass das Verfassungsgericht das zulassen wird; es hat nämlich in mehreren anderen Fällen die Verwertung von Beweismitteln untersagt, die durch Grundrechtsverletzungen erlangt worden waren. Die Chancen des Entwurfs dürften deshalb mit diesem Tag auf null sinken. Andererseits ist es aber so, dass mit einem Verbot solcher Tests die Zweifel von Vätern an der Vaterschaft auch nicht aus der Welt zu schaffen sind.

Was tun? Das geltende Recht geht nicht gut um mit den zweifelnden Vätern. Es gibt ihnen nur die Alternative, dennoch heimlich zu testen und dann in der erlangten Gewissheit zu schweigen oder eine Vaterschaftsanfechtungsklage zu erheben.

Dabei aber darf der Vater sich nicht auf ein heimlich eingeholtes Testergebnis stützen, sondern muss andere Anhaltspunkte nennen, die Zweifel an seiner Vaterschaft stützen können, muss also behaupten und untermauern, er sei der festen Überzeugung, nicht der Vater des Kindes zu sein. In den allermeisten Fällen hat er diese Überzeugung aber gar nicht, sondern er hat nur Zweifel. Außerdem bedeutet eine Vaterschaftsanfechtungsklage die komplette juristische Loslösung vom Kind. Das geltende Recht nötigt den Vater also zu einem Schritt, der ein Schnitt ist.

Diese völlige Loslösung vom Kind, den eine Anfechtungsklage mit sich bringt, geht vielen zweifelnden Vätern zu weit. Sie möchten zwar gern Klarheit haben, aber nicht sämtliche rechtlichen Bande zum Kind abschneiden, mit dem sie vielleicht viele Jahre zusammengelebt haben und dem sie deshalb auch weiterhin verbunden bleiben möchten.

So steckt der Vater nach derzeitigem Recht im Dilemma des Alles oder Nichts: Entweder er begibt sich auf den Weg der Anfechtungsklage, die bei Erfolg die Verwandtschaft beendet - oder er lebt weiter mit nagenden Zweifeln. Eine ausgewogene Berücksichtigung der Interessen von Vater und Kind ist das nicht.

Man wird zwar nicht gleich die Einschätzung des Vereins ,,Väteraufbruch für Kinder'' teilen müssen, wonach der Scheinvater in einer ,,notwehrähnlichen Lage'' sei, weil die ungerechtfertigte rechtliche Zuordnung eines Kindes schließlich jahrzehntelange Unterhaltspflichten zur Folge habe.

Die Risiken der gewonnenen Klarheit

Aber es ist schon so: Die Interessen der zweifelnden Väter sind vom derzeitigen Recht zu schlecht berücksichtigt. Das Bundesverfassungsgericht wird sich also etwas Neues einfallen lassen müssen. Es sollte den zweifelnden Vätern einen neuen, guten Weg zeigen, sich Klarheit zu verschaffen.

Das geltende Gesetz versucht, mit einer gesetzlichen Vaterschafts-Vermutung Ordnung im Chaos der menschlichen Natur zu schaffen und das Interesse des Kindes an einer stabilen rechtlichen Beziehung zu befriedigen. Deshalb heißt es in Paragraph 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs: Vater eines Kindes ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist, oder derjenige, der mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anerkannt hat.

Diese Regel gilt, solange kein Gegenbeweis geführt ist; und diese Regel wird auch in Zukunft gelten. Die Gegenbeweise müssen allerdings den neuen genetischen Feststellungsmöglichkeiten angepasst werden - und dem Wunsch des zweifelnden Vaters nach Klarheit (und nach nicht mehr als dieser Klarheit!).

Zu persönlichen Risiken und Nebenwirkungen der gewonnenen Klarheit darf man nicht den Gesetzgeber oder das Bundesverfassungsgericht fragen. Diese Risiken muss jeder selbst tragen - heimlich weinen inbegriffen.

© SZ vom 13.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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