Gesetzentwurf von Justizministerin Zypries:Großer Lauschangriff soll noch größer werden

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Auch bei Ärzten, Anwälten, Steuerberatern, Drogenberatern und Journalisten könnten Wanzen installiert werden. In der rot-grünen Koalition wächst die Empörung über den Entwurf, ebenso bei der FDP.

Von Heribert Prantl

In der rot-grünen Koalition wächst die Empörung gegen den von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) vorgelegten Referentenentwurf zum Großen Lauschangriff.

Der Entwurf - 48 Seiten samt Begründung - soll das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2004 umsetzen. Das Gericht hatte erhebliche Korrekturen beim Großen Lauschangriff verlangt; es reduzierte ihn auf die Fälle schwerer und schwerster Kriminalität, stellte hohe Anforderungen an Anordnung und Vollzug.

SPD-Justiziar Hermann Bachmair kündigte "erhebliche Widerstände" der SPD-Fraktion gegen den Entwurf an. Joachim Stünker, rechtspolitischer Fraktionssprecher, sagte der Süddeutschen Zeitung, der Entwurf sei "mit uns nicht abgestimmt". In dieser Fassung werde er nicht Kabinettsreife erlangen.

Der Gesetzentwurf zum neugefassten Großen Lauschangriff soll im September im Bundeskabinett verabschiedet werden. Er bezieht unerwartet auch die Berufsgeheimnisträger in den Lauschangriff ein: Ärzte, Anwälte, Steuer- und Drogenberater, Psychologen und Journalisten sollen künftig per Wanze abgehört werden dürfen, wenn "unabweisbare Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung unter besonderer Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Maßnahme und Verwertung ausnahmsweise erfordern".

Auch Pfarrer können abgehört werden - bei Verdacht

Dies hatte nicht einmal das in Karlsruhe gestutzte ursprüngliche Lauschangriffsgesetz vorgesehen. Auch Pfarrer im Beichtstuhl und Strafverteidiger im Gespräch mit dem Beschuldigten sollen abgehört werden dürfen, soweit sie "der Beteiligung an der Tat oder Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig sind".

Diese Regelungen verschärfen die Überwachungsmöglichkeiten bei Personen, die das Recht zur Zeugnisverweigerung haben. Auf die Angehörigen eines Beschuldigten soll sich der Lauschangriff erstrecken dürfen, wenn das Interesse am Aushorchen größer ist als das Gewicht dieses Vertrauensverhältnisses.

Karlsruhe hatte den Kernbereich privater Lebensgestaltung für tabu erklärt. Das neue Gesetz zählt Gespräche in Betriebs-und Geschäftsräumen nicht zu diesem geschützten Kernbereich.

Burkhart Hirsch nennt Gesetzentwurf "hanebüchen"

Der frühere Bundestagsvizepräsident Burkhart Hirsch (FDP), er gehörte zu den erfolgreichen Klägern gegen den Lauschangriff in Karlsruhe, bezeichnete den Gesetzentwurf als "hanebüchen". Seine Mitklägerin, die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), beklagte, dass der Entwurf die Karlsruher Vorgaben zu den Erhebungsverboten nicht beachte.

Max Stadler, rechtspolitischer Sprecher der FDP, sprach von einer offensichtlich absoluten Dominanz des Bundesinnenministeriums über das Justizministerium. Dies zeige der Gesetzentwurf exemplarisch auf. Justizministerin Zypries war in der vergangenen Legislaturperiode noch Staatssekretärin von Otto Schily.

Christian Ströbele von den Grünen erklärte, seine Fraktion sei "geschlossen" gegen die geplanten Ausweitung des Lauschangriffs.

© SZ vom 07.07.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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