Gerichtsurteil:Leiharbeiter zählen mit

Lesezeit: 1 min

Beim Reifenhersteller Goodyear Dunlop sind Leiharbeiter wie Stammbeschäftigte zu zählen - wenn es um die Wahl des Aufsichtsrates geht. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat grundsätzliche Bedeutung.

Von Detlef Esslinger, München

Beim Reifenhersteller Goodyear Dunlop sind Leiharbeiter wie Stammbeschäftigte zu zählen - zumindest wenn es um die Wahl des Aufsichtsrates geht. Dies hat das Bundesarbeitsgericht am Mittwoch in Erfurt entschieden. Der Fall und die Entscheidung hören sich zunächst danach an, als müsse ihn außerhalb des Werks niemanden interessieren. Nach Ansicht von Arbeitsrechtlern könnte er aber grundsätzliche Bedeutung entwickeln.

Hat ein Betrieb mehr als 8000 Arbeitnehmer, so werden deren Vertreter im Aufsichtsrat grundsätzlich nicht unmittelbar durch alle Arbeitnehmer gewählt, sondern durch Delegierte. So legt es das Mitbestimmungsgesetz fest. Bei Goodyear Dunlop in Hanau zählten die Richter 7897 Stammbeschäftigte sowie 444 Leiharbeiter, die auf Stammarbeitsplätzen eingesetzt sind. Zusammen überschreiten sie den Schwellenwert von 8000 Arbeitnehmern.

Auf die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung wies die internationale Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhardt hin. Indem die Erfurter Richter entschieden, wie eine Wahl stattzufinden hat, liegt es nahe, dass sie Leih- und Stammarbeiter auch gerne addiert sähen bei der Frage, ob überhaupt Wahlen stattzufinden hätten. In vielen Betrieben streiten die Unternehmensführung und Gewerkschafter darüber, wie viele Arbeitnehmer dort eigentlich arbeiten - mit der Folge, wie viele Aufsichtsratsmitglieder sie stellen dürfen, oder wie viele Mitglieder der Betriebsrat und welche Mitbestimmungsrechte er haben darf. "Eine Vielzahl bisher mitbestimmungsfreier Unternehmen könnte durch diese Entscheidung plötzlich der unbeliebten Unternehmensmitbestimmung unterliegen", sagte der Anwalt Markus Künzel aus der Münchner Niederlassung der Kanzlei - weil mit den Leiharbeitern plötzlich gesetzliche Schwellenwerte überschritten werden.

Im Bundesarbeitsgericht wird allerdings nicht angenommen, dass die Entscheidung sofort massenhaft Auswirkungen haben wird. Der Siebte Senat wies in der Pressemitteilung zu seiner Entscheidung darauf hin, er habe ausdrücklich offengelassen, ob Leiharbeiter auch bei anderen Schwellenwerten als der 8000er-Grenze in die Berechnung einbezogen werden müssten. So sind 500 Arbeitnehmer die untere Grenze, von der an diese Gruppe Anspruch auf Vertretung im Aufsichtsrat hat.

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: