Gerichtsentscheid:Weihnacht für Arbeitgeber

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Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden: Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld dürften künftig mit dem Mindestlohn verrechnet werden. Arbeitgeberanwälte jubeln, die Linke ist entsetzt.

Von Detlef Esslinger, München

Das Bundesarbeitsgericht hat zum ersten Mal eine Entscheidung zum Mindestlohn getroffen, die vor allem Arbeitgebern gefallen dürfte. Mehrere Fachanwälte, die für Arbeitgeber arbeiten, äußerten sich sehr zufrieden mit dem Urteil vom Mittwoch. Die Linke im Bundestag hingegen forderte die Bundesregierung auf, das Mindestlohngesetz zu ändern.

Das Bundesarbeitsgericht hatte am Mittwoch dem Städtischen Klinikum Brandenburg Recht gegeben. Eine Tochterfirma des Klinikums, die die Cafeteria dort betreibt, war von einer ihrer Angestellten verklagt worden. Der Grund: Nachdem Anfang 2015 der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro in Kraft trat, stellte die Tochterfirma ihre Gehaltszahlungen um. Urlaubs- und Weihnachtsgeld gibt es seitdem nicht mehr im Mai und im November, sondern es wird jeden Monat ein Zwölftel überwiesen. Ohne diese Umstellung wäre die Klägerin nur auf einen Stundenlohn von 8,03 Euro gekommen. So waren es 8,69 Euro. Sie war aber der Meinung, auch ohne die beiden Sonderzahlungen auf 8,50 Euro kommen zu müssen. Mit ihrer Klage war sie bereits vor dem Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel und vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gescheitert.

Die Linken fürchten ein "offenes Einfallstor für Missbrauch"

Das Bundesarbeitsgericht schloss sich nun der Auffassung der beiden unteren Instanzen an. Auch die Richter in Erfurt sagten, die Klägerin habe nach dem Mindestlohngesetz "keinen Anspruch auf erhöhtes Monatsgehalt". Ihr Anspruch auf den Mindestlohn sei erfüllt, sofern Urlaubs- und Weihnachtsgeld "vorbehaltlos und unwiderruflich" gezahlt würden. Damit ist gemeint, dass die Zahlungen nicht davon abhängig gemacht werden, wie viele Monate eines Jahres jemand bei seiner Firma beschäftigt ist oder ob man tatsächlich in Urlaub fährt. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hatten zudem darauf hingewiesen, dass es in dem Brandenburger Klinikum eine gültige Betriebsvereinbarung zu der Zwölftelung gibt.

Der Münchner Anwalt Wolfgang Lipinski von der Kanzlei Beiten Burkhardt sagte der Süddeutschen Zeitung, die Entscheidung bringe "Rechtsklarheit an einem ganz entscheidenden, vom Gesetzgeber offengelassenen Punkt in der Mindestlohndiskussion". Er riet Arbeitgebern zur Überprüfung von Musterarbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen. Sie sollten "Zahlungen mit Mischcharakter" vermeiden, also solche, mit denen sowohl Arbeitsleistung als auch Betriebstreue vergolten werde. Die Linke im Bundestag las aus dem Urteil heraus, dass nun "bundesweit Beschäftigte im Mindestlohn um ihr Urlaubs- und Weihnachtsgeld fürchten" müssten. Mit der vom Bundesarbeitsgericht nun erlaubten Konstruktion werde der Mindestlohn "gezielt ausgehebelt", sagte ihr stellvertretender Vorsitzender Klaus Ernst. Er warf der Bundesregierung vor, im Gesetz den Mindestlohnbegriff nicht definiert zu haben. Das sei ein "offenes Einfallstor für Missbrauch".

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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