Georgien und Russland:Mission zwischen den Fronten

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Bundesaußenminister Steinmeier vermittelt im Konflikt über Abchasien. Die Region wird von den Machtinteressen Georgiens und Russlands zerrieben.

Cathrin Kahlweit

Fast hätte das Wetter noch einen Strich durch die diplomatische Rechnung gemacht: Wegen Sprühregens und schlechter Sicht mochten die Piloten der UN den deutschen Außenminister und seine Delegation nicht ins abchasische Suchumi fliegen. Das aber wäre einer Katastrophe gleichgekommen.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier unterwegs als Vermittler (Foto: Foto: Reuters)

Suchumi musste sein. Denn in Suchumi sitzt die Regierung der Republik Abchasien, die sich vor 15 Jahren in einem blutigen Sezessionskrieg von Georgien abgespalten hat. Frank-Walter Steinmeier reist derzeit in einer mission impossible durch die Region, die er mit "ein paar Möglichkeiten versehen will".

Als Koordinator der Freundesgruppe des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, die sich um eine Vermittlung im Konflikt zwischen Georgien und Abchasien bemüht, sprach Steinmeier am Donnerstag erst in Tiflis bei Georgiens Außenministerin und dann in Batumi am Schwarzen Meer bei Präsident Michail Saakaschwili vor. Am Freitag sollte es dann nach Suchumi gehen - und ohne ein Treffen mit dem De-facto-Präsidenten von Abchasien, Sergej Bagapsch, wäre die Mission kaum noch etwas wert gewesen.

Steinmeier will einen in Berlin entwickelten Dreistufenplan vorlegen und erste vage Signale der Zustimmung zu diesem Plan einholen. Im eskalierenden Konflikt zwischen der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien, der international nicht anerkannten Republik Abchasien sowie Moskau, das mit Friedenstruppen in Abchasien präsent ist und sich als eine Art Schutzmacht der Republik sieht, gilt es schon als Erfolg, wenn die Beteiligten darüber sprechen, ob sie eines Tages miteinander sprechen wollen.

Rasende Fahrt an der Küste

Also bestiegen die Deutschen nach einigem Schimpfen über das Wetter und die vorsichtigen Piloten der Unomig-Mission Autos und rasten an der Schwarzmeerküste entlang ins abchasische Gali. Es wurde als ein erster diplomatischer Erfolg gewertet, dass Bagapsch und sein Außenminister Sergej Schamba der Gruppe von Suchumi aus entgegenfuhren.

Es zeichnete sich schon nach dem ersten Tag der Reise ab, dass es immens schwierig sein wird, Bewegung in diesen lange Zeit "eingefrorenen" Konflikt zu bringen. Beide Seiten zeigten sich nicht bereit, einen versöhnlichen Schritt zu erwägen. Von einem "eingefrorenen" Konflikt könne aber angesichts der Häufung gewalttätiger Zwischenfälle in den letzten Wochen nicht mehr die Rede sein, sagte Steinmeier. "Einer weiteren Zuspitzung tatenlos zuzusehen, wäre unverantwortlich."

Der Dreistufenplan, der mit Frankreich, Großbritannien, den USA und Russland abgestimmt ist, sieht vor, erst am Ende eines vertrauensbildenden Prozesses über den Status Abchasiens zu verhandeln. Zuvor sollen regelmäßige Gespräche etabliert und die Frage der Rückkehr georgischer Flüchtlinge nach Abchasien geklärt werden. In einem zweiten Schritt ist an eine Geberkonferenz und den ökonomischen Wiederaufbau der durch einen Krieg und Sanktionen ausgebluteten Republik gedacht.

Steinmeiers ostentativ zur Schau getragene Skepsis - "die Chancen auf einen Erfolg sind absolut offen" - bestätigte sich bei den Gesprächen. Saakaschwili bekundete zwar bei einem Treffen in seiner Sommerresidenz nahe Batumi, er sei zu direkten Kontakten mit Bagapsch bereit, allerdings habe dieser bislang jedes Angebot unbeantwortet gelassen.

Man habe bereits alles versucht, um Abchasien wieder näher an das Mutterland heranzuführen, aber die "separatistische Regierung" verweigere sich jeder Annäherung. Um zu einer Lösung zu kommen, müsse zudem erst einmal Moskau zu einer "Entmilitarisierung" beitragen. Russland verstoße gegen die territoriale Integrität Georgiens, so Saakaschwili. Die Russen hatten laut einem UN-Bericht eine georgische Aufklärungs-Drohne über Abchasien abgeschossen und ihre Truppen dort aufgestockt.

Saakaschwili, ein Meister der Inszenierung, war nach einem langen Vieraugengespräch mit Steinmeier auf einer Art Bühne vor dem Schwarzen Meer vor die Presse getreten und hatte, wie es sich gehört, erst mal dem Deutschen für seine Bemühungen gedankt und sich bereiterklärt, den Plan zu diskutieren - was man so sagt, wenn man wenig sagen will.

Gleichwohl reagierte er empört auf Fragen, wie weit sich Tiflis bewegen wolle: Moskau bringe Waffen ins Land und betreibe eine Eskalation des Konflikts. Zuvor hatte die georgische Außenministerin Eka Tkeschelaschwili in Tiflis gesagt, Moskau sei Teil des Problems, nicht Teil der Lösung. Russland ist Mitglied der Freundesgruppe und in den Vermittlungsprozess eingebunden, wird aber von georgischer Seite als Provokateur angesehen, weil es mit dem "Putin-Dekret" im Frühjahr die Strukturen Abchasiens anerkannte. Die Freundesgruppe beharrt bei den Vermittlungen jedoch darauf, dass Abchasien Teil Georgiens sei.

Gute Nachrichten gab es auch nicht aus Gali. Bagapsch und Steinmeier trafen sich in einem Quartier der Unomig, die die Waffenstillstandslinie im Süden Abchasiens mit einer Beobachtertruppe sichert. Nach höflichen Einlassungen im Gespräch mit Steinmeier stellte sich Bagapsch vor die Presse und sagte weit weniger diplomatisch und erkennbar an die eigenen Leute gerichtet, man habe den Plan abgelehnt. Basta. Wenn die georgische Seite auf der Rückkehr von 250000 Flüchtlingen bestehe, dann drohe eventuell ein neuer Krieg. Eine Rückführung würde die etwa 200000 Abchasen zur Minderheit machen.

Verkompliziert wird die Angelegenheit durch die janusköpfige Rolle Moskaus. Offiziell sind die Russen Vermittler und mit ihrer Truppe Beschützer eines fragilen Friedens. Auch haben sie die Republik Abchasien offiziell nie anerkannt. Tatsächlich haben 90 Prozent der Abchasen einen russischen Pass, zahlen mit russischem Geld, bekommen russische Renten. Moskau finanziert einen Teil des Haushalts.

Daher flog Steinmeier zuletzt auch nach Moskau, um Russland den Dreistufenplan nahezubringen, den es als Teil der Freundesgruppe ja eigentlich mit initiiert hat. Moskau müsste, wollte es dieses Projekt vorantreiben, seine Beute, die es verschlungen und bereits halb verdaut hat, wieder ausspucken. Georgien zahlt den Preis dafür, dass es in die Nato strebt, was den Russen missfällt. Das Verhältnis zwischen Amerika-Freund Saakaschwili und den nach neuem Einfluss in der Welt strebenden Russen ist extrem angespannt.

Treffen im Nobelrestaurant

Dass Russland ein genuines Interesse an Abchasien hat, bezweifeln selbst die Abchasen. Eine Anerkennung würde Separationsbemühungen im eigenen Land stärken. Aber nach der Anerkennung des Kosovo durch viele westliche Staaten wird Abchasien von Moskau gerne als Beispiel dafür benutzt, dass der Westen mit zweierlei Maß misst.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow, der vorletzte Gesprächspartner während Steinmeiers Reise, zeigte sich nach einem Abendessen in einem Nobelrestaurant bei Moskau allerdings hoch erfreut über die deutsche Initiative. Der russische Nato-Botschafter Dmitri Rogosin hingegen hatte Steinmeier zuvor kritisiert, weil er versuche, das "Unvereinbare zusammenzubringen". Man müsse nun die Zusammenarbeit der Freundesgruppe intensivieren, damit beide Seiten die Vorschläge akzeptieren, sagte Lawrow. Wohlgemerkt: beide Seiten, denn nach russischer Lesart ist Moskau in diesem Konflikt nicht die dritte Partei.

Ausgesprochen verhärtet ist die Haltung in Abchasien selbst. Eine Rückkehr in die Staatlichkeit Georgiens schließen die Politiker ebenso aus wie die Bevölkerung. Unter russischer Kuratel zu stehen, erscheint als der bessere Weg. Derzeit wirkt das Land mit seinen überwucherten Kriegsruinen und den freilaufenden Rindern zwischen wilden Gärten eher wie ein verdrecktes, verarmtes Paradies, das zwischen Georgien und Russland zerrieben wird.

Aus Steinmeiers Umgebung war zu hören, dass man die Hoffnung auf eine Annäherung nicht aufgeben will. Der Minister traf am Ende seines Parforceritts, spät in der hellen Moskauer Nacht, schließlich noch den neuen Präsidenten Dmitrij Medwedjew auf dessen Datscha.

Steinmeier sei optimistisch, dass Medwedjew daran teilhaben werde, eine konstruktive Rolle beim Drei-Phasen-Plan zu spielen, hieß es. Wenn am Ende der Reise die Bereitschaft zu einem Treffen aller Seiten in Berlin stehe, dann sei schon viel erreicht. Die ersten Schritte des Plans werden allerdings nicht vor Ende kommenden Jahres umgesetzt sein - wenn überhaupt.

© SZ vom 19.07.2008/ssc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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