Genfer Verhandlungen:In Etappen denken

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Die Syrien-Gespräche sind wegen neuer Kämpfe erstmal gestoppt. Endgültig gescheitert sind sie aber deshalb wohl noch nicht.

Von Stefan Braun, Riad

Das Aussetzen der Friedensgespräche von Genf bis Ende Februar gilt unter Diplomaten noch nicht als Ende aller Hoffnungen. Aber es wird in Genfer Verhandlungskreisen als Warnung vor einem Zusammenbruch aller Bemühungen gewertet. Aus Genf kam am Donnerstag die Einschätzung: "Der Zug ist auf halber Strecke stehen geblieben, aber die Passagiere sind nicht ausgestiegen."

Tatsächlich fiel die Entscheidung, die Verhandlungen bis zum 25. Februar auszusetzen, nicht bei Vertretern der syrischen Opposition, sondern UN-Sondervermittler Staffan de Mistura fällte sie. Er sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es besser sei, eine Pause einzulegen. Wie aus seiner Umgebung zu hören ist, lagen die Schwierigkeiten nicht an einem Streit über Ereignisse in Genf. Der Grund waren die in den letzten 48 Stunden ausgeweiteten Kämpfe am Boden. Insbesondere die Attacken des Regimes um Aleppo hätten es den Vertretern der Opposition schwerer gemacht, Gespräche zu rechtfertigen, hieß es.

De Mistura habe diese Entscheidung getroffen, um der Opposition den Druck für ein paar Tage zu nehmen. Diplomaten verweisen darauf, dass es besser gewesen wäre, wenn man die Gespräche nicht mit offenem Ende begonnen hätte, sondern stets mit der Ankündigung, in Etappen zu denken. Im Hintergrund wird den Russen große Mitverantwortung für die Eskalation gegeben. Trotz der Signale, für eine politische Lösung einzutreten, haben die Russen an ihrer Kriegsführung offenkundig wenig geändert. Im Gegenteil, sie hätten ihre Angriffe zuletzt noch verschärft, heißt es aus Genf. Das bringt die Oppositionskräfte in immer größere Bedrängnis.

Hunger im Bürgerkrieg: In der belagerten syrischen Stadt Madaya bleibt der Kochtopf meist leer. (Foto: SOS-Kinderdörfer/Abeer Pamuk/dpa)

Diplomaten erinnert das an die Phase vor den Minsker-Gesprächen über die Ostukraine. Auch dort hatten russisch-freundliche Kräfte unmittelbar vor der Waffenruhe mit zusätzlichen Angriffen ihre Ausgangslage massiv verbessert. Die jüngsten Entwicklungen zwangen die Vertreter der Opposition in Genf dazu, sich auf die humanitäre Lage zu konzentrieren und den Start der politischen Gespräche zu verschieben.

Den Russen wird große Mitverantwortung an der Eskalation gegeben

Allerdings: Auch wenn das Regime von Baschar al-Assad seine Hoffnungen darauf setzt, die Opposition durch die Ausweitung der Kämpfe zu einem Ausstieg zu provozieren und so dem Einstieg in Verhandlungen aus dem Weg zu gehen - mehr als den kurzfristigen Erfolg jetzt konnte es nicht erzielen. Die Erwartung, das fragile Oppositionsbündnis würde bald auseinanderbrechen, hat sich nicht bewahrheitet. Nach Teilnehmerberichten ist es gelungen, den disparaten Haufen näher zusammenzubringen. Moderate und militante Kräfte hätten zusammengefunden. Dabei könnte auch der Versuch Deutschlands eine Rolle spielen, in Genf die Opposition zu stützen - mit Schulungen über Verhandlungsführung, mit Hilfen für Menschen, die lange kämpfen, aber keine Erfahrung haben, wie man einen Waffenstillstand aushandelt.

Inzwischen scheint klar zu sein, dass sich die Syrien-Unterstützergruppe ISSG am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz Ende kommender Woche erneut treffen wird. Nach dem jetzigen Stillstand von Genf wird es laut Diplomaten in München darum gehen müssen, einen Kompromiss zu finden, der humanitäre Zugänge garantiert und Wege zu einer Waffenruhe definiert. Die Frage dürfte sein, ob sich Amerikaner und Russen annähern. Wie es heißt, hat ausgerechnet die Brücke zwischen Washington und Moskau gelitten. Dagegen hätten sich regionale Staaten wie die Türkei, Saudi-Arabien oder Iran zuletzt konstruktiv verhalten. Dies ist bedeutsam, weil es davor gerade diese Staaten waren, die nicht bereit zu sein schienen, sich schnell auf einen Waffenstillstand einzulassen.

Ob die militärischen Erfolge die Lage des Regimes dauerhaft verbessern, ist in Genf umstritten. Amerikaner und Europäer bezweifeln das, weil sie Russen und syrischen Regierungstruppen kaum zutrauen, aus kurzfristigen Erfolgen dauerhafte Siege zu machen. Saudische und türkische Vertreter halten es nicht für ausgemacht, dass sich die Kräfteverhältnisse auf dem Boden auf absehbare Zeit wieder ändern. Der saudische Außenminister Adel al-Jubair sagte, Russland habe bewusst die Angriffe verschärft, um dem Regime in Damaskus Vorteile vor einer Waffenruhe zu verschaffen. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier blieb vorsichtiger. Aber er betonte, nun werde man vor allem mit Russland sprechen müssen. Außerdem sei ein Treffen mit den Außenministern der Syrien-Unterstützergruppe unverzichtbar: "Gerade jetzt muss der Druck von außen wieder sichtbar werden.

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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