Generalsekretär Heil zur Reformdebatte:"Kein Prinzipienstreit, sondern Sachfrage"

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Im Konflikt um das Arbeitslosengeld I versucht SPD-Generalsekretär Heil die Wogen zu glätten. Die Debatte zwischen Parteichef Beck und Vizekanzler Müntefering sei kein Prinzipienstreit, Müntefering bleibe die Nummer eins in der Regierung.

SPD-Chef Kurt Beck bleibt im Konflikt mit Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) hart. Bei einer Telefon-Schaltkonferenz des SPD-Präsidiums bekräftigte Beck am Montag seine Forderung nach einer längeren Zahlung von Arbeitslosengeld I für ältere Beschäftigungslose.

Arbeitsminister Franz Müntefering (links) und SPD-Parteichef Kurt Beck. (Foto: Foto: ddp)

Rückendeckung bekam er dabei vom SPD-Präsidium. Die SPD wolle ein Signal setzen aus Respekt vor der Lebensleistung Älterer, sagte Generalsekretär Hubertus Heil am Montag nach einer Telefon-Schaltkonferenz des Präsidiums.

Es gebe eine große Unterstützung dafür in der Partei und in der Bevölkerung. Auch Heil betonte: "An der Richtung der Reformpolitik halten wir fest."

Arbeitsminister Franz Müntefering, der in Lissabon weilte, nahm an der Telefonkonferenz nicht teil. Er hatte Beck vorgeworfen, sich auf populistische Art von der Agenda 2010 abzuwenden.

"Es geht nicht um eine Abkehr, sondern um eine Weiterentwicklung der Agenda-Politik", sagte Heil. Einen Rücktritt Münteferings schloss er aus. "Das ist kein Prinzipienstreit. Das ist eine Sachfrage", sagte er. Müntefering sei die Nummer eins in der Regierung, Beck in der Partei, betonte Heil.

Heil ging davon aus, dass es auf dem SPD-Parteitag Ende Oktober eine Mehrheit für den Vorschlag Becks geben werde. Er sagte weiter, Parteichef Beck und Bundesarbeitsminister Müntefering seien sich außer in dieser Frage über die Instrumente der Arbeitspolitik einig. Als Beispiele nannte er die Altersteilzeit und die Teilrente.

Heil fügte hinzu, wenn die Union sich von ihrem Parteitagsbeschluss zu einer Verlängerung des Arbeitslosengeldes I hin zur SPD bewege, könne er sich vorstellen, dass eine ALG-I-Verlängerung noch in dieser Legislaturperiode kommen könnte.

Jusos und Parteilinke unterstützen Parteichef Beck

Vizekanzler Franz Müntefering erfährt unterdessen Unterstützung vom Seeheimer Kreis. Die Jusos und die Parteilinke stellen sich hingegen hinter Parteichef Kurt Beck.

So sagte beispielsweise der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) in der Partei, Ottmar Schreiner, im ZDF-"Morgenmagazin": "Leider hat sich der Arbeitsmarkt für Ältere kaum verbessert."

Das Risiko für sie arbeitslos und arm zu werden, bleibe groß. Daher unterstütze er Becks Vorschlag zur Verlängerung der Zahlung von Arbeitslosengeld I für Ältere. Schreiner räumte ein, dass die Kontroverse zwischen Parteichef Beck und Vizekanzler Franz Müntefering über eine Änderung der Agenda 2010 "eine etwas schwierige Situation" sei.

"Wenn fast 90 Prozent der Bevölkerung diesen Vorschlag für gut halten, sollte man dem auch folgen", meinte er. "Die Entwertung einer Lebensleistung, einer jahrzehntelangen Arbeitsleistung muss korrigiert werden." Das gelte auch für die Rente mit 67.

Der Juso-Vorsitzende Björn Böhning stellte sich am Montag ebenfalls hinter Becks Vorschlag zu einer teilweisen Verlängerung der Arbeitslosengeld-I-Bezuges. Er sagte im RBB-Inforadio, man müsse darüber diskutieren, wie die Arbeitslosenversicherung neu strukturiert werden soll. Das gehöre zum Thema Gerechtigkeit dazu.

Massive Kritik von Thierse

Zugleich lobte er aber auch Müntefering. "Wir brauchen Franz Müntefering weiter als Vizekanzler, und er ist ein guter Vizekanzler, denn er macht eine gute Politik für Deutschland."

Auch das SPD-Vorstandsmitglied Wolfgang Thierse stellte sich gegen Müntefering. Er übte im Deutschlandfunk indirekt massive Kritik am Vizekanzler, der Änderungen kategorisch ablehnt: Ein solches Verhalten sei "starrsinnig", sagte der Bundestagsvizepräsident.

Dagegen wandte sich der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, wie Müntefering gegen Becks Vorstoß. Kahrs sagte den Ruhr Nachrichten: "Timing und Inhalt" von Becks Vorstoß seien falsch. Das lenke von Münteferings "erfolgreichem Vorgehen" für Mindestlöhne ab. Im WDR forderte er, Beck dürfe einen Antrag zum Arbeitslosengeld I an den bevorstehenden SPD-Parteitag nur in Absprache mit Müntefering und Fraktionschef Peter Struck einbringen.

Minister Müntefering ließ indes über seinen Sprecher mitteilen, Spekulationen über seinen Rücktritt seien "mehr als müßig". Sein Sprecher Stefan Giffeler sagte, Müntefering stehe "ganz fest in seinen Funktionen".

Dies sei aktuell so, und das werde auch in Zukunft so bleiben. Müntefering werde unabhängig vom Ausgang des SPD-Parteitages in seinem Amt bleiben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich in den Streit vorerst nicht einschalten. Die Diskussion über das Arbeitslosengeld I sei Sache der Parteien, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg. Eine Änderung beim Arbeitslosengeld I sei derzeit nicht Gegenstand des Regierungshandelns.

Union lehnt Becks Vorschläge rigoros ab

Merkels Parteikollegen hingegen gaben ihre Meinung zum SPD-Streit durchaus kund. Die Union will die Vorschläge von SPD-Chef Kurt Beck zur längeren Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I in dieser Form nicht mittragen.

Der CDU-Wirtschaftsexperte Laurenz Meyer bekräftigte am Montag im ZDF das Ziel der Regierungskoalition, die Sozialversicherungsbeiträge am Ende der Legislaturperiode unter 40 Prozent zu senken. Bei den Arbeitnehmern müsse mehr Geld ankommen. Beck mache es sich zu einfach, wenn er "mal einfach eine Milliarde draufsatteln" wolle, sagte Meyer. Allenfalls könne es darum gehen, dass jemand, der länger Beiträge gezahlt habe, auch etwas länger Arbeitslosengeld bekommen könne.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) wandte sich gegen Maßnahmen, die eine Subventionierung der Arbeitslosigkeit zur Folge hätten. Angesichts des Fachkräftemangels solle stattdessen mehr Geld für die Qualifizierung von Arbeitslosen ausgegeben werden, sagte Böhmer im Deutschlandradio Kultur.

© AP/dpa/ddp-bay/Reuters/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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