Gelenkte Proteste:Ein Sturm der Empörung, gezielt entfesselt

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Als die Karikaturen das erste Mal erschienen, war die Empörung gering - bis sie ein Prediger anfachte: Warum die Massenproteste erst mit vier Monaten Verspätung einsetzten.

Christiane Schlötzer

Als die konservative dänische Zeitung Jyllands-Posten am 30. September 2005 zwölf Karikaturen über den Propheten Mohammed veröffentlichte, rechnete das Blatt bereits mit Empörung - das verraten sogar die Zeichnungen.

Ein Cartoon zeigt eine Schultafel. Darauf schreibt ein kleiner Muslim namens "Mohammed Valloyskole, Klasse 7a" in arabischen Lettern: "Die Journalisten von Jyllands-Posten sind ein Haufen reaktionärer Provokateure." So viel Selbstironie wurde nicht verstanden, zumindest nicht von den Vertretern 29 muslimischer Organisationen in Dänemark.

Empörte Leserbriefe an Jyllands-Posten wurden geschrieben, aber die Aufregung der Muslime erzeugte nur mäßigen Wellengang. Ein Sturm wurde daraus erst später.

Wie dies geschah, kann man mittlerweile zumindest in Bruchstücken nachzeichnen, wobei eine besondere Rolle einige Zeichnungen oder Montagen spielen, die niemals in Jyllands-Posten erschienen sind - einem Blatt, das für seinen harten Kurs in der Ausländerfrage bekannt ist.

Dass der Streit in Dänemark nur dahinplätscherte - und auch Premier Anders Fogh Rasmussenihn partout nicht durch ein Treffen mit Botschaftern arabischer und islamischer Staaten aufwerten wollte - frustrierte die muslimischen Gruppen ziemlich.

Wut über Karikaturen, die nie gedruckt wurden

Erst daraufhin entschlossen sich einige verärgerte Muslime zu einer Art Erweckungstrip. An ihre Spitze setzte sich ein Prediger mit radikalem Image: Abu Laban. Die Gruppe reiste im Winter 2005 nach Ägypten und angeblich auch in den Libanon, traf Vertreter der Arabischen Liga sowie muslimische Kleriker und Akademiker.

Dabeihatten die Reisenden ein Dossier zum "Anstieg des Rassismus" in Dänemark. Die Karikaturen sollten als Belege dienen. Aber die Gruppe hatte eben auch Zeichnungen im Gepäck, die wohl nie ein seriöses Medium drucken würde: betende Muslime beim Sex mit Tieren, den Propheten mit Schweinenase und andere Geschmacklosigkeiten. Diese Blätter sollen Muslimen in Dänemark von Unbekannten zugeschickt worden sein.

Jetzt dreht sich der Streit darum, ob die Besucher aus dem kühlen Norden in der heißen arabischen Welt den Eindruck erweckten, auch jene üblen Machwerke seien in Jyllands-Posten erschienen. Ahmed Akkari, der zur dänischen Muslim-Delegation gehörte, hat erklärt, man habe die Zeichnungen "klar getrennt". Dänische Medien berichten aber, die reisenden Aufrührer hätten angegeben, Jyllands-Posten sei eine Zeitung der Regierung und die ganze Sache damit eine Art Staatsaffäre.

Der dänische Journalist Kaare Quist von Ekstra-Bladet glaubt, dass die Leute um Abu Laban und Ahmed Akkari nicht für die 200.000 Muslime in Dänemark sprächen, sondern höchsten für 5.000 bis vielleicht 10.000 Menschen. Zumindest Scharfmacher Akkari rudert inzwischen zurück. "Wir strecken den anderen die Hand aus", sagte er auf einer Pressekonferenz.

Doch nun ist der radikale Geist aus der Flasche und lässt sich so leicht nicht mehr einfangen. Stattdessen hat in der islamischen Welt geradezu ein Wettbewerb in der Radikalisierung der Reaktionen eingesetzt.

Einen neuen Höhepunkt erreichte dieser mit dem Chef der schiitischen Hisbollah im Libanon, Hassan Nasrallah. Die Nachrichtenagentur AFP zitierte Nasrallah mit den Worten: Hätte 1989 "ein Muslim die Fatwa des Imam Khomeini gegen den Ketzer Salman Rushdi ausgeführt", würde sich heute "kein Hetzer trauen, den Propheten zu beleidigen".

Beschwichtigende Gegenstimmen

Selbst gemäßigte Muslime fühlen sich zu Äußerungen gedrängt. Afghanistans Präsident Hamid Karzai kritisierte die Karikaturen als Akt, der nicht wiederholt werden dürfe. Der türkische Premier Tayyip Erdogan sprach von einem Angriff "auf unsere geistigen Werte".

Es gibt aber auch Muslime, die gegen den Strom der radikalen Solidarisierung schwimmen. Die jordanische Zeitung al-Shihan veröffentlichte drei Karikaturen. "Was sorgt für größere Vorurteile gegen den Islam- diese Karikaturen, Bilder von Entführern, die ihren Opfer vor einer Kamera abstechen, oder ein Selbstmordattentäter, der sich auf einer Hochzeitsfeier in Amman in die Luft sprengt?", fragte der Autor Jihad Momani in dem Blatt. "Muslime, seid vernünftig", fügte Momani noch hinzu.

Auch ein paar andere mutige Autoren verwiesen darauf, dass die arabische Welt wichtigere Probleme habe, als sich den Kopf über dänische Karikaturen zu zerbrechen. Und im türkischen Internet konnte man die zwölf Karikaturen auch leicht finden.

Dort, wo alles begann, in Kopenhagen, hielt Iman Abu Laban seine Freitagspredigt ab. Laban nannte den besänftigenden Auftritt des dänischen Premiers am Donnerstag im Sender Al-Arabija "herausragend", ohne dies näher zu erläutern. Kurz zuvor hatte der Prediger sein Mäntelchen noch in den heißen Wind gehängt, den er mit angefacht hat. In einem Interview mit Al-Dschasira hieß er die Boykottaufrufe gegen dänische Waren in der arabischen Welt grundsätzlich gut.

© SZ vom 04.02.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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