Geheimdienste:Foltern für die gerechte Sache

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Nach dem Kalten Krieg mussten sich die Geheimdienste noch ins Zeug legen, um vor ihren Regierungen die Notwendigkeit ihrer Arbeit zu rechtfertigen. Seit dem 11. September dürfen sie ihre Operationen stetig ausweiten - und gehen skrupelloser denn je ans Werk. Vorbei die Zeit, in der es der CIA untersagt war, Mordanschläge auszuführen.

Von Hans Leyendecker

Spionage ist fraglos eines der ältesten Gewerbe der Welt, aber selten waren die Geheimdienste so mächtig und gefährlich wie in diesen Tagen. In Russland ist mit Wladimir Putin ein ehemaliger Geheimdienstchef an der Macht, der den alten Kameraden des untergegangenen KGB wieder zu Einfluss verholfen hat.

Die neuen Herren der Geheimpolizei sind mächtig im Innern und stehen im Verdacht, im Ausland, wie jüngst in Katar, tschetschenische Exilanten exekutieren zu lassen.

Eine eigene Stadt für die Geheimdienste

In Großbritannien wird der Inlandsgeheimdienst MI5 gewaltig ausgebaut. Der Dienst mit bislang 1950 Mitarbeitern soll 1000 neue Stellen bekommen. Der Auslandsnachrichtendienst MI6 ließ sich in fragwürdige Abenteuer hineinziehen und fiel durch Abhöraktionen auf.

In den USA gibt es mittlerweile 14 Nachrichtendienste, deren Gesamtetat jährlich weit über 30 Milliarden Dollar liegt. Die National Security Agency (NSA), die die UN belauschte, ist mit knapp 40 000 Mitarbeitern einer der größten Dienste der Welt und hat in Maryland eine eigene geheime Stadt, Crypto City, errichtet.

Schon der Krieg in Afghanistan war 2001 vor allem ein Krieg des US-Geheimdienstes CIA - paramilitärische Truppen und Spezialkommandos bereiteten mit Sonderaktionen den Boden für die amerikanischen Streitkräfte vor. Sie kauften mit Millionen Dollar die Unterstützung der örtlichen Kriegsherren und kämpften am Boden.

Den Kopf von Osama auf einem Tablett

In seinem Buch "Bush at war" hat der Journalist Bob Woodward nachgezeichnet, wie die CIA in die Schlacht zog. "Holen Sie sich Osama bin Laden. Ich will seinen Kopf in einer Schachtel. Ich will ihn mitnehmen und dem Präsidenten auf dem Tablett servieren" - so soll der damalige Chef des "Counter Terrorism Center" der CIA, Cofer Black, seinen Leuten ihre Mission erklärt haben.

Bin Laden konnte noch nicht gefasst werden, aber einige seiner festgenommenen Gefolgsleute wurden von amerikanischen Nachrichtendiensten an befreundete Dienste in Jordanien, Marokko oder Ägypten weitergereicht.

Dort werden sie im Beisein amerikanischer Nachrichtendienstler gefoltert. Im Dienste der "gerechten Sache" halten mittlerweile einige der US-Geheimdienste - in Übereinstimmung mit ihrer Regierung - fast jede Form von Gewalt für gerechtfertigt.

Sabotage, Folter, Exekutionen - für jede Schandtat zu haben

Auch im Irak waren Spezialkommandos der US-Geheimdienste lange vor Kriegsbeginn am 20. März 2003 im Einsatz. Zu ihrem Auftrag gehörten Sabotage und die Liquidierung irakischer Wachmannschaften in Raketenstellungen.

Abhören von Freunden, Sabotage, Folter, Exekutionen - die wichtigsten der großen Geheimdienste sind wieder für jede Schandtat zu haben. Vorbei die Zeit, in der es beispielsweise der CIA untersagt war, Mordanschläge auszuführen.

In Deutschland ist der Bundesnachrichtendienst (BND) zwar weiterhin eine Behörde und keine Macht, aber seine Analysen werden im Berliner Politbetrieb mittlerweile ernst genommen. All das ist unmittelbare Folge des 11.September 2001.

"Wirtschaftsspionage ist der heißeste Renner"

Nach dem Ende des Kalten Krieges mussten sich die Geheimdienste noch alle Mühe geben, um ihre Regierungen und die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit ihrer Arbeit zu überzeugen. Weltweit suchten sie nach neuen Aufgaben: Für Rauschgiftbekämpfung, Kampf gegen Organisierte Kriminalität und Geldwäsche, eigentlich klassische Felder der Polizei, interessierten sich plötzlich Geheimdienstler.

"Wirtschaftsspionage ist der heißeste Renner", erklärte in den neunziger Jahren der damalige CIA-Chef James Woolsey, der in seiner Amtszeit nur zweimal bei Präsident Bill Clinton vorgelassen wurde.

Nach den Anschlägen vom 11. September, die die Geheimdienste nicht verhindern konnten, hat sich das geändert. CIA-Chef George Tenet hat jeden Morgen einen Termin beim Präsidenten; Vizepräsident Dick Cheney begab sich vor dem Irak-Krieg häufiger in die CIA-Zentrale in Langley, um mit Auswertern zu diskutieren und ihnen seine Sicht der Lage darzulegen.

Die Bedrohung setzt die Maßstäbe

Die Geheimdienste sind in den USA, aber auch in Russland wieder zu Instrumenten der Politik geworden. Politische Entscheidungen werden zunehmend mit angeblichen Geheimdiensterkenntnissen begründet. Dabei blüht die alte Desinformation wieder auf.

Im Pentagon wurde vor dem Irak-Krieg ein "Office of Special Plans" eingerichtet, das die inzwischen zum Teil als Lügen entlarvten Begründungen für den Krieg destillierte. Aus diesem Stoff wiederum fertigten die befreundeten Geheimdienste ihre falschen Analysen.

Die Bedrohung, die - tatsächlich oder vermeintlich - vom fundamentalistischen Terrorismus ausgeht, hat sämtliche Maßstäbe verrückt. Das bedeutet auch, dass weite Bereiche der Gesellschaft wieder stärker ins Blickfeld der Geheimdienste geraten sind.

Interviewtermine nicht für Linke und Anti-Amerikaner

Als der deutsche Fernsehreporter Christoph Maria Fröhder Mitte Februar dieses Jahres im Irak war und US-Militärs um ein Interview bat, durfte er nach zwei Tagen wiederkommen. Ein Offizier erklärte Fröhder, der Geheimdienst habe ihn überprüft - und er sei kein genehmer Gesprächspartner.

Fröhder habe aus Vietnam und dem ersten Golfkrieg kritisch berichtet, und überhaupt sei die ARD mit ihrem Nahost-Korrespondenten Jörg Armbruster "links und antiamerikanisch. Wir registrieren das." Big Brother is watching you - nicht nur bei den UN.

© SZ vom 28.2.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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