Gedenken nach Münchner Amoklauf:Gauck: Solidarität lindert Schmerz

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Der Bundespräsident fordert, die Gesellschaft dürfe sich der Gedankenwelt von Tätern und Terroristen nicht unterwerfen.

Von B. Kastner, München

Bundespräsident Joachim Gauck ruft dazu auf, sich der Gedankenwelt von Amokläufern, Attentätern und Terroristen nicht zu unterwerfen: "Sie werden uns nicht zwingen zu hassen, wie sie hassen. Sie werden uns nicht in der Gefangenschaft immerwährender Furcht halten. Wir werden nämlich bleiben, was wir sind: eine mitmenschliche, solidarische Gesellschaft." Gut eine Woche nach dem Amoklauf von München haben Spitzen des Staates und der Kirchen bei zwei Trauerfeiern der Opfer gedacht. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel kam nach München. Dort hatte ein 18-Jähriger am und im Olympia-Einkaufszentrum neun Menschen erschossen und 35 verletzt, ehe er sich selbst tötete.

Münchens Kardinal Reinhard Marx sagte in der Frauenkirche: "Wir klagen vor Gott und den Menschen, was Menschen einander antun. Die Klage wird aber nicht zur Ohnmacht." Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, appellierte, "Frühwarnsysteme" in Staat und Gesellschaft zu entwickeln, um Planungen für Gewalttaten zu erkennen und zu stoppen. Alle bewege die Frage, "wie wir in die Zukunft gehen können". Die Medien müssten ihre Berichterstattung reflektieren und unterscheiden, "wo sie ihre Informationspflicht erfüllen und wo sie zu einer möglichen Hysterie beitragen, die niemandem hilft".

Dhari Hajer vom Muslimrat München sagte an Allah gewandt: "Beschütze diese schöne Stadt und ihre Bewohner, beschütze Deutschland." Zu einer Trauerfeier im bayerischen Landtag waren auch Angehörige der Opfer geladen. Bundespräsident Gauck wollte dort laut Redeskript zum Nachdenken darüber auffordern, was Menschen wie den Amokläufer zu ihren Verbrechen treibe. Oft gebe es im Vorfeld Anzeichen, die es wahrzunehmen gelte. "Die Gesellschaft darf diese Menschen, gerade junge Menschen, nicht allein lassen und dulden, dass sie auf gefährliche Weise zu Randständigen werden", appellierte Gauck. Er betonte die Bedeutung des Zusammenhalts, der könne zwar den Schmerz nicht nehmen, aber: "Zu spüren, dass es in solchen Momenten eine Gemeinschaft gibt, Menschen, die mitfühlen, die zuhören, die füreinander da sind: Das kann helfen, die nächste Stunde und den nächsten Tag zu bewältigen." Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter würdigt laut Skript die Leistung der Tausenden Polizisten, Rettungskräfte und Klinikmitarbeiter. Unterdessen beschäftigen Trittbrettfahrer die Polizei. In der Nacht zum Samstag wurde in Heilbronn nach einer Bombendrohung ein Volksfest geräumt. In München-Pasing evakuierte die Polizei am Samstag ein Einkaufszentrum und sperrte den nahen Bahnhof nach Hinweisen auf eine angebliche Bombe. Am Schliersee nahm die Polizei einen 22-Jährigen fest, der drohte, beim Seefest "alle in die Luft zu sprengen". Der Vater des Amokläufers versicherte, er habe nichts geahnt von den Plänen seines Sohns. "Wir bekommen Morddrohungen", sagte er Bild am Sonntag, "meine Frau weint seit einer Woche. Unser Leben in München ist erledigt."

© SZ vom 01.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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