Gasturbinen:Und sie dreht sich doch

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Der Sanktionsbruch auf der Krim wird schweren Schaden anrichten. Nicht nur für Siemens dürfte es ungemütlich werden, etwa im US-Geschäft. Auch die Bundesregierung muss sich großer Naivität zeihen lassen. Nur einer bleibt sich treu: Russlands Präsident Wladimir Putin.

Von Julian Hans

Wenn demnächst Gasturbinen von Siemens in Elektrizitätswerke auf der Krim eingebaut werden, dann kann Wladimir Putin die Nabelschnur durchtrennen, die bis heute die Halbinsel mit dem Mutterland verbindet. Energie aus der Ukraine wird dann nicht mehr benötigt, dank eines deutschen Unternehmens mit Weltruf. Ausgerechnet.

Ob Siemens dieses Spiel wissentlich mitgespielt hat, fahrlässig oder bestenfalls aus Blauäugigkeit, das muss weiter untersucht werden. Mindestens zwei Strafanzeigen sind bei der Staatsanwaltschaft München eingegangen. Auch die Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass sie den Münchner Konzern nicht einfach mit einem Schulterzucken aus der Verantwortung entlässt: Die Russen haben uns eben reingelegt.

Wahr ist aber auch, dass nicht nur die russischen Geschäftspartner von Siemens Verträge gebrochen haben. Der russische Präsident hat wieder einmal sein Wort nicht gehalten und damit die Bundesregierung vorgeführt. Seine Zusage an den damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, dass die Turbinen nicht auf der Krim eingesetzt würden, entpuppte sich als taktische Lüge. Nun hat Putin die Energieversorgung für die Krim gelöst und bewiesen, dass er recht hatte: Das Sanktionsgetöse kann uns nichts anhaben. Wir kriegen, was wir brauchen, sogar aus Deutschland.

Die Gelackmeierten versuchen sich nun mit dem Argument zu trösten, Russland schade sich selbst, wenn seine Führung ausländische Konzerne betrüge und damit das Investitionsklima schädige. So aber denkt Putin nicht. Wenn es um Geopolitik geht, dann sind die Wirtschaft des eigenen Landes und die soziale Lage der Bevölkerung von nachgeordneter Bedeutung. Das hat der Präsident nun wirklich oft genug bewiesen. Er wird die Turbinen-Lieferung viel eher als Beleg dafür nehmen, dass Investoren alles mit sich machen lassen.

Der Sanktionsbruch auf der Krim wird schweren Schade anrichten

Das Geschäft mit den Turbinen war keineswegs zwingend. Für Siemens ging es um etwas mehr als hundert Millionen Euro Umsatz - im Verhältnis zum Gesamtumsatz des Konzerns von mehr als 75 Milliarden nicht gerade existenzbedrohend. Ob Vorstand und Aufsichtsrat wohl der Meinung sind, dass es sich gelohnt hat, dafür das USA-Geschäft mit einem Volumen von mehr als 16 Milliarden aufs Spiel zu setzen? Der US-Konkurrent General Electrics wartet nur darauf, dass Sanktionen gegen die Münchner verhängt werden.

Siemens will nun reagieren - am Brunnen werden Warnschilder aufgestellt, nachdem das Kind längst hineingefallen ist. Auslieferung künftig nur noch unter Kontrolle bis zum vereinbarten Montageort? Auf die Idee hätte man vor über zwei Jahren leicht kommen können, als es Hinweise gab, dass die Turbinen auf die Krim umgeleitet werden könnten. Stattdessen drückten Konzern und Politik die Augen zu. Dass Siemens jetzt seine Beteiligung an der Ingenieurfirma Interautomatika aufgeben will - was hilft das noch? Sind die Ingenieure deshalb nicht mehr in der Lage, die Turbinen zu montieren und zu warten?

Der Bundesregierung schadet das Geschäft ebenfalls. Wenn die Kanzlerin ihre EU-Partner für die nächste Verlängerung der Sanktionen gewinnen will, muss sie sich die Frage gefallen lassen, warum deutsche Unternehmen Sanktionen zu umgehen helfen. Das Verhältnis zwischen Moskau und Berlin wird nach dem neuerlichen Wortbruch Putins auch nicht besser.

Die Turbinen-Lieferung pervertiert die sozialdemokratische Ostpolitik-Formel "Wandel durch Handel". Ob der betrogene Sigmar Gabriel deshalb das Nord-Stream- 2-Projekt seines Parteifreunds Gerhard Schröder mit anderen Augen sieht? Das habe mit Politik nichts zu tun, hieß es bislang. Darüber sollte man vielleicht noch einmal nachdenken.

© SZ vom 24.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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