Freihandel:Ceta statt zetern

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Die Kommission in Brüssel hat ein Abkommen ausgehandelt, das den europäischen Wünschen erstaunlich weit entgegenkommt. Nun sollten die EU-Regierungen auch couragiert für Ceta eintreten. Denn es ist wichtig für Europas Zukunft, dass dieser Vertrag in Kraft treten kann.

Von  Alexander Mühlauer

Christian Kern ist mit seinem Problem nicht allein, er tut sich nur besonders schwer. Wie viele seiner sozialdemokratischen Leidensgenossen ist Österreichs Bundeskanzler in der Debatte um das geplante Handelsabkommen Ceta ein Getriebener. Der Kritik von Freihandelsgegnern, die in dem Vertrag zwischen der EU und Kanada einen Angriff auf die Demokratie sehen, weiß er nichts Wirksames entgegenzusetzen. In Belgien und Frankreich ist es genauso.

Getrieben wird Kern nicht nur von Demonstranten, sondern auch von einer Boulevardzeitung, die seit jeher die politische Agenda bestimmt, egal wer in Wien regiert. Kein Wunder, dass sich das Blatt mit dem Chef einer großen Supermarktkette verbündet hat, der mit den Ceta- und TTIP-Ängsten der Bürger spielt, um seine Interessen durchzusetzen. Mal ganz davon abgesehen, dass Österreich eine Präsidentenwahl bevorsteht, die das Land schon allzu sehr polarisiert.

Der Wiener Kanzler erlebt exemplarisch, was sich auch in anderen EU-Hauptstädten beobachten lässt: Ceta wird in der innenpolitischen Debatte zerrieben. Es spaltet nicht nur Regierungen, sondern auch Gesellschaften. Kern nennt die Diskussion "obskur", es sei "eine Spin- und Propagandageschichte geworden". Ja, die Debatte um Ceta ist eine voller Halbwahrheiten - und genau deshalb wäre eine überzeugende Haltung der EU-Regierungen dringend nötig.

Alle 28 Staats- und Regierungschefs haben sich zwar zu Ceta bekannt, sie schaffen es aber nicht, das Verständnis der Bürger dafür zu stärken. Das Problem ist ein altbekanntes: Auf Brüsseler Gipfeln sagt man hinter verschlossenen Türen gerne Ja, zu Hause muss man sich halt dafür rechtfertigen. Oft können es sich die Politiker leicht machen und auf "Brüssel" verweisen, das mal wieder schuld sein soll an dem, wofür man selbst angeblich nichts kann. Bei Ceta ist das anders. Es waren die EU-Staaten, die darauf gedrängt haben, dass alle nationalen Parlamente darüber abzustimmen haben. Jetzt müssen sie die Debatte führen. Eine Debatte, die sie zu lange haben laufen lassen, weil sie sich nicht dafür interessierten (Handelspolitik ist ja eine Brüsseler Angelegenheit).

Nun läuft die Zeit davon. Geht es nach der Kommission, die das Abkommen im Auftrag der EU-Staaten verhandelt hat, soll der Ceta-Vertrag Ende Oktober unterzeichnet werden. Das dürfte trotz aller Widerstände auch klappen, andernfalls macht sich die EU lächerlich. Denn so stark wie die Regierung in Ottawa dürften nicht viele auf dieser Welt den Europäern entgegenkommen. Ceta ist ein Vertrag, der die Balance zwischen marktwirtschaftlichen Interessen und sozialen Standards schafft. Sollte es noch einiger "Klarstellungen" bedürfen, wie es SPD-Chef Sigmar Gabriel formuliert hat, wird es sie geben.

Bleibt ein Punkt, bei dem die Kritiker recht haben: Ceta ist kein klassisches Freihandelsabkommen. Es ist, wie Tisa und TTIP, viel mehr. Die Abkommen greifen in Bereiche ein, die bislang von herkömmlichen Handelsverträgen nicht berührt wurden. Es geht um weitaus mehr als nur um den Abbau von Zöllen. Das ist auch richtig so, denn nicht nur Güter werden global gehandelt, sondern auch Dienstleistungen und Kapital, Daten und Jobs.

In diesem Prozess geht es darum, die Welt mit europäischen Sozial- und Marktwirtschaftsstandards zu gestalten. Wer sich ins nationalstaatliche Nest zurückzieht, wer mit alldem nichts zu tun haben will, der verschließt die Augen vor der Zukunft. Wer für Ceta ist, tut das nicht. Und das wäre sie dann zum Beispiel auch: eine Botschaft an alle Kritiker.

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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