Fragen zur Vertrauensfrage:Schröder wird seine Kritiker benennen

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Bundespräsident Köhler lässt sich mit seiner Entscheidung über die Auflösung des Parlaments Zeit: Zur Schröderschen Vertrauensfrage hat er noch ein paar Verständnisfragen - die der Kanzler nun beantworten muss.

Von Nico Fried und Robert Roßmann

Bundeskanzler Gerhard Schröder muss seine Begründung für die Vertrauensfrage mit zusätzlichem Material untermauern: Er wird dafür auch die Namen einzelner Kritiker nennen.

Regierungssprecher Bela Anda bestätigte, dass derzeit auf Anforderung von Bundespräsident Horst Köhler eine Stellungnahme erarbeitet wird. In dem Dossier sollen regierungskritische Äußerungen einzelner Abgeordneter der rot-grünen Koalition aufgeführt sein.

Der Grünen-Parlamentarier Hans-Christian Ströbele, den der Kanzler zuvor bereits intern kritisiert hatte, bezeichnete die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als "albern".

Der Staatssekretär im Bundespräsidialamt, Michael Jansen, hat dem Kanzleramt nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bereits am Montag der vergangenen Woche zwei Anfragen übermittelt. Die erste bezog sich auf die juristische Begründung für die Vertrauensfrage, die Schröder am 1. Juli verloren hatte, um den Weg für Neuwahlen freizumachen.

Äußerungen linker Kritiker der Reformpolitik

Die zweite bezog sich auf konkrete Angaben zur Kritik an Schröders Politik, die der Kanzler in seiner Rede vor dem Bundestag nur allgemein angesprochen hatte. Eine entsprechende Zitatensammlung wird derzeit vom Bundespresseamt zusammengestellt.

Im Mittelpunkt der Stoffsammlung werden vor allem Äußerungen linker Kritiker der Reformpolitik, aber auch kritische Äußerungen aus der Koalition zu Schröders Außenpolitik stehen. Anda erinnerte daran, dass bereits Bundespräsident Karl Carstens 1982 von Kanzler Kohl zusätzliche Informationen erbeten hatte.

So wird nach SZ-Informationen ein Zeitungsbericht über ein Geheimtreffen linker Abgeordneter um Ottmar Schreiner angeführt, in dem der Übertritt zur WASG erwogen worden sein soll. Schreiner hatte den Bericht als erfunden dementiert, zugleich einen Austritt aus der SPD jedoch nicht definitiv ausgeschlossen.

In mehreren Interviews hatte er zudem einen klaren Kurswechsel sowie Korrekturen bei der Arbeitsmarktreform Hartz IV gefordert und eine Zustimmung für die auf dem Job-Gipfel vereinbarte Senkung der Erbschafts- und Körperschaftssteuer von Bedingungen abhängig gemacht.

Die geplanten Steuersenkungen waren auch bei anderen Abgeordneten von SPD und Grünen auf Ablehnung gestoßen. Bereits vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen gab es Berichte, dass die SPD-Linke im Falle einer Niederlage auf eine Veränderung der Politik dringen wolle.

In dem Dossier sollen aber auch Belege für Differenzen in der Außenpolitik genannt werden. In seiner Rede vor dem Bundestag hatte der Bundeskanzler bereits auf "vermehrt abweichende, jedenfalls die Mehrheit gefährdende Stimmen" in der Türkei-, der Russland- und der China-Politik hingewiesen.

Die von Schröder befürwortete Aufhebung des Waffenembargos der Europäischen Union gegen China war vor allem bei den Grünen, aber auch in der SPD auf Kritik gestoßen.

Ähnliches galt für die Russland-Politik Schröders und sein enges Verhältnis zu Staatspräsident Wladimir Putin. SPD-Europapolitiker hatten zudem den Fahrplan für die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei in Frage gestellt, nachdem die türkische Polizei eine Demonstration zum internationalen Frauentag gewaltsam aufgelöst hatte.

Sowohl in einem Ministergespräch als auch in der letzten Koalitionsrunde vor der Vertrauensfrage hatte Schröder namentlich den Grünen-Politiker Ströbele angegriffen. In diesem Zusammenhang wurde auf Ströbeles Warnung an Schröder hingewiesen, die Aufhebung des Waffenembargos gegen China nicht am Bundestag vorbei zu betreiben.

Der SZ sagte Ströbele, dass es sich bei der Ablehnung einer Aufhebung des Waffenembargos "um einen Beschluss des gesamten deutschen Bundestags vom Oktober 2004 handelt, dem auch die CDU und alle Sozialdemokraten zugestimmt haben".

Ströbele sagte, er "überlege, Äußerungen des Kanzlers zusammenzustellen, mit denen dieser sich von den Programmen von SPD und Grünen und unseren Koalitionsvereinbarungen entfernt hat. Das wäre sicherlich auch interessant."

© SZ vom 12. Juli 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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