Folter-Prozess:Das Gesicht von Abu Ghraib

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Seit sieben Monaten ist sie Mutter. Doch nun ist die Schonfrist für Lynndie England abgelaufen: In den USA beginnt der Prozess gegen die junge Gefreite.

Von Wolfgang Koydl

Von Anfang an war sie das eigentliche, das mediengerechte Gesicht des Skandals: Lynndie England, Gefreite in der 372. US-Militärpolizeikompanie.

Dieses Bild von England im Militärgefängnis Abu Ghraib ging um die Welt. (Foto: Foto: dpa)

Das Foto, das die knabenhafte 21-Jährige in Uniform zeigt, wie sie einen nackten Mann an einer Hundeleine hält, löste mehr aus als nur gerechte Entrüstung über Rechtsverletzungen und Machtmissbrauch im Bagdader Abu-Ghraib-Gefängnis. Das Bild illustrierte die ganze Obszönität der Vorfälle.

Mittlerweile ist die Domina der Kompanie zur Mutter eines sieben Monate alten Babys gereift, ein Umstand, dem sie den Aufschub ihres Militärverfahrens wegen ihrer Beteiligung an den Misshandlungen und Demütigungen der Gefangenen im Zentralgefängnis der irakischen Hauptstadt zu verdanken hatte.

Nun ist die Schonfrist abgelaufen: Am Montag beginnt auf dem Militärstützpunkt Fort Hood in Texas das juristische Nachspiel. Lynndie England ist die siebte Militärangehörige, die wegen ihrer Beteiligung an den Vorgängen in Abu Ghraib zur Rechenschaft gezogen wird.

Doch so wie sie rekrutierten sich auch die meisten anderen Beschuldigten aus den Reihen von Gefreiten und niederen Rängen. Die höchste Strafe mit zehn Jahren Militärgefängnis erhielt bisher Charles Graner, einst Vorgesetzter von Lynndie England und Vater ihres Kindes. Er wurde als Rädelsführer der Misshandlungen benannt.

Offiziere wurden nicht belangt. Dass dies wohl so bleiben wird, machte ein Untersuchungsbericht der US-Armee deutlich, der kürzlich an die Öffentlichkeit gelangte. Darin wurden die vier ranghöchsten US-Offiziere im Irak von jedweder Schuld in dem Skandal freigesprochen.

Weder Generalleutnant Ricardo Sanchez, der damals die US-Truppen im Irak kommandierte, noch seine drei wichtigsten Stellvertreter müssen auch nur mit einer Rüge rechnen. Lediglich für Brigadegeneralin Janis Karpinski, die als Kommandeurin für die Haftanstalten im besetzten Irak verantwortlich war, geht die Militärkarriere mit einem schriftlichen Verweis zu Ende.

Entgegenkommen der Staatsanwaltschaft

Bei so viel Großzügigkeit gegenüber Führungsfiguren wollen die Ankläger offenkundig auch kleinen Fischen wie England entgegenkommen.

Zum Erstaunen der Verteidiger strich der Staatsanwalt die Liste der Anklagepunkte gegen die Gefreite von 19 auf neun zusammen. Damit drohen England im Höchstfall nur mehr elf Jahre Haft in einem Militärgefängnis statt ursprünglich 38.

Am Ende werden es wohl sogar nicht mehr als 30 Monate sein. Denn Englands Anwälte haben eine Übereinkunft mit der Staatsanwaltschaft geschlossen, wie sie im angelsächsischen Rechtssystem möglich ist. England wird sich schuldig bekennen.

Im Tausch dafür wird das Strafmaß gesenkt. Ein guter Deal auch für das Pentagon. Das Schuldgeständnis bedeutet, dass Lynndie England nicht mehr argumentieren wird, sie habe nur Befehle befolgt.

© SZ vom 02.05.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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