Folter:Mit Terror gegen Terror

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Im Krieg gegen Saddam-Verbündete und al-Qaida sind Amerikaner und viele ihrer Verbündeten nachweislich bereit, auch durch Folter Informationen von Verdächtigen zu bekommen. Das beklagen Hilfsorganisationen schon seit Jahren.

Von Christian Minaty

"Mächtige Regierungen wie die USA und Großbritannien sind so sehr mit ihrem Kampf gegen den Terror beschäftigt, dass sie Menschenrechte absichtlich ignorieren", sagt die Generalsekretärin von Amnesty International (AI). Schon lange vor dem Bekanntwerden von Folterungen von Irakern durch amerikanische und britische Soldaten hat die Organisation Hinweise auf Misshandlungen erhalten.

Die Alliierten haben tausende Iraker auf unbestimmte Zeit inhaftiert - und auch etliche gefoltert. (Foto: Foto: dpa)

Moderne Foltermethoden: Musik, Hitze und Licht

Demnach soll schon während des Irakkriegs und danach gefangenen Irakern trotz extremer Hitze in Zelten der Zugang zu Trinkwasser und sanitären Anlagen versagt worden sein. Weiterhin berichtet AI, dass Handschellen aus Plastik den Häftlingen unnötige Schmerzen zufügten und sie sich bäuchlings auf den Boden legen mussten. Man stülpte ihnen Kapuzen über den Kopf.

Schlafentzug durch grelles Licht und laute Musik, Schläge und erzwungenes Ausharren in schmerzvollen Position gehörten Aussagen von Häftlingen zufolge offenbar ebenfalls zum Repertoire ihrer Peiniger. Ziel des US-Militärs: Den Widerstand der Häftlinge brechen, damit sie Auskünfte über Waffenlager und ihre Mitkämpfer geben.

Nicht nur die Militärs, gerade auch die Geheimdienste sind offenbar tief in Folterungen verstrickt. Nach dem 11. September haben die westlichen Dienste eine nie gekannte Aufwertung erfahren: Allein 14 Geheimdienste gibt es mittlerweile in den USA, ihr Budget wurde massiv erhöht, das Personal aufgestockt und vor allem sind ihre Kompetenzen erweitert worden.

Die Schikanen, denen irakische Häftlinge ausgesetzt waren, sind laut einem geheimen Untersuchungsbericht des US-Militärs gezielte Aktionen von amerikanischen Geheimdienstoffizieren. Verhörspezialisten verlangten unter Bruch militärischer Regeln, dass "die Wachen physische und psychische Bedingungen für einen vorteilhafte Befragung von Zeugen zu schaffen". Bei den Anweisungen an die als Wachen eingesetzten Militärpolizisten seien die normalen Befehlsketten umgangen worden.

Auch in Afghanistan ist es immer wieder zu Massakern an mutmaßlichen Taliban durch die Milizen lokaler Warlords wie etwa Nordallianz-General Raschid Dostum gekommen - oft unter den Augen amerikanischer Offiziere. Aufgeklärt wurden die Vorfälle nie.

Rotes Kreuz prangerte Misshandlungen früh an

Ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zeigt die willkürlichen Verhaftungen von Zivilisten auf - Lebensmittelhändler, Bauern, Arbeiter. Alle unter Terrorverdacht - "vermutlich aufgrund falscher und fehlerhafter Informationen". Ehemalige Häftlinge sagten aus, dass US-Soldaten sie verprügelt oder mit kaltem Wasser überschüttet und dann in der Kälte draußen haben stehen lassen.

Die Situation der irakischen Gefangenen in Abu Ghraib bei Bagdad hat das Internationale Rote Kreuz (IKRK) schon früher angeprangert: Die Helfer sind dort auf Folterfälle aufmerksam geworden. "Wir wussten, was dort passiert und auf Grund unserer Erkenntnisse haben wir die US-Behörden mehrfach aufgefordert Korrekturen einzuleiten", sagte eine IKRK-Sprecherin.

Nicht jeder ist solchen Torturen gewachsen. Mindestens vier Menschen starben in Basra in britischer Haft. Zeugen wollen gesehen haben, dass mindestens einer der Verstorbenen schwere Prellungen aufwies und seine Leiche blutverschmiert gewesenen sein soll.

Im Abu Ghraib Gefängnis ist es offenbar immer wieder zu schweren Misshandlungen gekommen, so die New York Times. Es ist ein Foto aufgetaucht, dass einen toten Iraker zeigt, der November 2003 gestorben sein soll. Sein Körper zeigt großflächige Verletzungen.

Zum Bild passt ein Tagesbuch-Eintrag eines amerikanischen Wachmannes, der mit sechs seiner Kollegen wegen Foltervorwürfen in Abu Ghraib angeklagt worden ist. Er schreibt: "Sie haben ihn so lange malträtiert, bis er gestorben ist. Dann haben sie ihn in einen Leichensack gepackt und auf Eis gelegt." Weitere Missbrauchsfälle: Gefangene mussten sich nackt zur Schau stellen und sexuelle Belästigungen und Demütigungen von US-Soldaten ertragen.

Dabei hatte US-Präsident George Bush noch im Sommer 2003 gesagt, dass es keine Folter durch US-Soldaten gebe. Nun muss sich seine Regierung um Schadensbegrenzung bemühen. Das sowieso schon niedrige Vertrauen der arabischen Welt in die US-Politik im Irak dürfte damit ins Bodenlose gesunken sein.

Tausende Häftlinge befinden sich im Irak auf unbestimmte Zeit und ohne offizielles Urteil in Gefangenschaft. Viele wurden während Razzien verhaftet, in denen die Koalitions-Streitkräfte nach Waffen und Terroristen fahnden.

"Wir hören von Folter, wir hören, dass aus den Häusern Geld gestohlen wurde und dass die Frauen draußen in der Kälte stehen müssen", kritisierte Mohsen Abdelhamid, der die sunnitische Islamische Partei im irakischen Regierungsrat vertritt. Man habe US-Zivilverwalter Paul Bremer darauf angesprochen - ohne Ergebnis.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin wirft den US-Geheimdiensten vor, nicht nur im Ausland selbst Foltermethoden anzuwenden, sondern sie auch bei Dritten zu tolerieren. Gefangene in Ägypten, Syrien, Marokko und Pakistan werden vom dortigen Militär und Polizei regelmäßig misshandelt.

Weil Soldaten häufig die ersten seien, die Verstöße gegen die Menschenrecht beobachten, müsse es eine Stelle am Einsatzort geben, die Berichte sammeln könne, fordert Wolfgang Heinz. Der Politologe ist einer der Autoren einer Studie des Instituts, die Willkürakte im Kampf gegen der Terror anprangert. Heinz forderte auch eine Statistik über derartige Verstöße und eine Rechenschaftspflicht der beteiligten Armeen.

Endlos-Haft auf "rechtsfreien Inseln"

Ungeklärt ist auch das Schicksal der Inhaftierten auf den US-Stützpunkten Guantanamo auf Kuba oder Diego Garcia im Indischen Ozean. Auf diesen "rechtsfreien Inseln" sind mutmaßliche al-Qaida-Mitglieder abgeschottet von der Außenwelt inhaftiert - ohne Prozess, ohne Urteil und auf unbestimmte Zeit.

Wer auf Guantanamo nicht kooperiert, für den sind die Haftbedingungen schlechter. Wer aussagt, bekommt mehr zu essen. Wer nicht spurt, weniger. Nur eine von vielen Foltermethoden. "Einer der Gefangenen hat berichtet, dass er an einen Pfahl gebunden und mit Gummigeschossen beschossen wurde. Sie werden gezwungen, so lange in der Sonne zu knien, bis sie zusammenbrechen", erklärt der australische Rechtsanwalt Richard Bourke, juristischer Beistand mehrerer dutzend Terrorverdächtiger vertritt, darunter die "australischen Taliban" David Hicks und Mamdouh Habib.

Laut Rotem Kreuz soll es Dutzende Selbstmordversuche gegeben und die Gefangenen an Depressionen leiden. Ein Gefangener, Jose Padilla, wird seit 2002 auf Befehl von US-Präsident Bush ohne Kontakt zur Außenwelt auf einem Kriegsschiff festgehalten - ein seit Weltkriegszeiten einmaliger Vorgang. Padilla war unter dem Verdacht festgenommen worden, in Chicago eine atomar verseuchte Bombe zünden zu wollen.

"Es sind illegale Kämpfer, keine Kriegsgefangenen", stellte das Pentagon fest. Doch illegal ist auch ihr Status, wie ein Berufungsgericht in San Francisco entschied. "Die Inhaftierung auf unbestimmte Zeit sei nach dem amerikanischen und dem Völkerrecht höchst bedenklich", argumentierten die Richter Ende 2003.

Die Bush-Regierung wehrt sich gegen die Vorwürfe: "Es gibt eine solide internationale Zusammenarbeit im Krieg gegen den Terror und das bringt uns nicht von unserem Einsatz für die Menschenrechte und die Demokratie ab", sagte Außenamtssprecher Richard Boucher.

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