Föderalismusreform im Bundestag:Schwarzbrot, elegant verpackt

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Eine große Reform und die kleine Rache des Peter Struck - mit einer Rede, die man nur als elegant verpackte Unverschämtheit gegenüber der Bundeskanzlerin bezeichnen kann.

Nico Fried

Oh nein, so einfach dreht ein Peter Struck nicht bei! Der Fraktionschef der SPD erlebt seine achte Legislaturperiode als Abgeordneter. Das Wort vom alten Fuchs trifft nicht auf viele im Bundestag zu, aber auf ihn schon. Nicht nur, was das Alter betrifft (63), sondern auch wegen des impliziten Attributs der Schläue.

Peter Struck im Bundestag, im Hintergrund Kanzlerin Merkel. (Foto: Foto: ddp)

Dieser Peter Struck also hält an diesem Morgen eine Rede, die man nur als elegant verpackte Unverschämtheit gegenüber der Bundeskanzlerin bezeichnen kann. So raffiniert hat er seine kleine Rache an Angela Merkel komponiert, dass jede weitere Reaktion von ihr wohl nur noch als Nachtreten unter Niveau verstanden werden müsste.

Wie man nebenbei überhaupt sagen muss, dass das Parlament an diesem Freitag einige starke Stunden erlebt. Wer hätte das gedacht bei einem so trockenen Thema wie der Föderalismusreform? Doch der Bundestag debattiert nicht nur überaus ernsthaft die Neuordnung im Verhältnis von Bund und Ländern, sondern auch mit seltener Leidenschaft. Und es sind gerade die Juristen wie Norbert Röttgen von der CDU, FDP-Fraktionschef Guido Westerwelle oder auch Otto Schily - ja, der war auch zugegen! -, die das rechtswissenschaftliche Schwarzbrot selbst für Laien genießbar machen.

Struck zeigte allen, was Selbstbewusstsein ist

Die politischen Sticheleien sind quasi der leckere Aufstrich obendrauf, womit wir wieder bei Peter Struck wären. Der SPD-Fraktionschef redet als Erster an diesem Morgen, um 8.20 Uhr schon, weil der Bundestag sich selbst wegen des Fußballspiels Deutschland gegen Argentinien früher als sonst einberufen hat. Die letzten Tage waren nicht ganz leicht für Struck. In seiner Fraktion musste er allerhand Gespräche führen, um kritische Abgeordnete zu überzeugen und die Mehrheit für die Reform zu sichern.

Die Unionsführung hatte ihm wegen der Renitenz in der SPD öffentlich einen Mangel an Führungsstärke vorgehalten, und Angela Merkel selbst nörgelte im Koalitionsausschuss, mit seiner kritischen Rede bei der Einbringung der Föderalismusreform im März habe Struck den Widerstand der eigenen Leute doch erst angestachelt. Selbst der eigene Parteichef Kurt Beck war sauer auf jene SPD-Abgeordneten, die ihm aus seiner Sicht die Demütigung auferlegt hatten, nach Canossa zu gehen und bei der Union um weitere Zugeständnisse zu betteln.

Und nun zeigt Struck ihnen allen, was Selbstbewusstsein ist. "Sie wissen, dass ich mich persönlich dafür eingesetzt habe, dass Änderungen erreicht werden", sagt er ohne Umschweife. Prompt erhält er Beifall aus den eigenen Reihen, aber eben auch aus der Union, deren kritische Abgeordnete von der eigenen Führung zum Mundhalten verdonnert worden waren. Dass er von Anfang an Veränderungen gewünscht habe, sei vielleicht zum Missfallen einiger Beteiligter geschehen, sagt Struck weiter.

Jubelnde Reaktion von Annette Schavan

"Aber ich bin dazu da, für meine Fraktion und für die Bürger zu arbeiten, nicht zum Gefallen oder Missfallen mancher Personen." Die Gemeinheit des Begriffs "mancher Personen" kommt erst so richtig zur Geltung, weil Struck zwar ins Plenum schaut, zugleich jedoch wie beiläufig mit seiner rechten Hand in Richtung Regierungsbank zeigt, zum Platz von Angela Merkel, weshalb auch ohne Namensnennung jedermann verstehen kann, wer gemeint ist. Die SPD-Fraktion sowieso: Wieder bekommt Struck langen Applaus.

Und weil es gerade so schön ist, setzt er noch einen obendrauf: Alle Experten hätten eine Lockerung des Kooperationsverbots gefordert, das dem Bund jegliche Mitsprache bei der Hochschulpolitik untersagt hätte. "Wir haben diese Veränderung erreicht", sagt Struck. Die "jubelnde Reaktion" der Bildungsministerin Annette Schavan habe ihm gezeigt, lästert Struck, "dass wir diesen Kampf im Sinne der Bundesregierung geführt haben". Und das ist natürlich wieder ein sehr bewusst gewähltes Wort, denn zur Bundesregierung gehört schließlich auch Angela Merkel.

Ministerin Schavan von der CDU übrigens schießt an dieser Stelle die Röte peinlicher Betroffenheit ins Gesicht, denn sie weiß natürlich sehr genau, dass sie Peter Struck mit ihrem Lob erst die treffliche Vorlage für das Piesacken der Kanzlerin geliefert hat. Die SPD-Fraktion wiederum dankt ihrem Chef später bei der Abstimmung: Nur noch 15 ihrer Abgeordneten votieren mit Nein, wo bis vor kurzem noch etwa 60 Gegenstimmen befürchtet wurden.

Soviel zum Thema Führungsstärke.

© SZ vom 01.07.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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