Flüchtlingsprojekt:Der Mann mit der Wunderlampe

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Restaurantbesitzer Hanna Saliba (Mitte) mit den Flüchtlingen Mekail Zineh (li.) und Feras Mekhail. (Foto: Peter Burghardt)

Hanna Saliba ist der bekannteste Syrer Hamburgs, ein erfolgreicher Gastronom. Nun versucht er sich an einem neuen Projekt - und schafft damit Jobs für Flüchtlinge aus seiner Heimat.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Syrien kann duften, Syrien kann wunderbar würzig schmecken und süß, das wissen viele Hamburger schon lange. Beigebracht hat es ihnen vor allem Hanna Saliba, der bekannteste Syrer der Stadt. "Saliba verwöhnt Hamburg seit 1985", steht auf den Tellern seines Restaurants in den Alsterarkaden. "Saliba, die feine Küche Syriens", dazu eine Seeschwalbe, das Symbol der Gastfreundschaft.

Es gibt da Mazza, bunte Vorspeisen, und Falafel, frittierte Bällchen aus Gemüse und Kichererbsen. Es gibt Maakloube, Auberginen-Zimt-Pimentreis mit Datteln, Mandeln, Rosinen, Pinienkernen und Minz-Joghurt. Oder Moujadara aus der Weizengrütze Burghul mit braunen Linsen, gerösteten Zwiebeln und Fatousch-Salat mit Pita-Chips und Granatapfelbalsamico-Dressing. Die Desserts heißen "süße Sünde". Das "Saliba" liegt in bester Lage an der Alster zwischen Rathaus und Jungfernstieg, es schien der letzte Teil einer langen Geschichte zu sein. Jetzt gibt es eine Fortsetzung, und das alles wegen dieses fürchterlichen, bitteren Krieges.

Elf Gaststätten betrieb Saliba. Dann verkaufte er die meisten - und investierte in Damaskus

Hanna Saliba, 66, steht neben seinen jungen Landsleuten Feras Mekhail und Mekail Zineh aus dem halb zerstörten Homs vor einem noch verklebten Schaufenster im Viertel Eimsbüttel, vom Himmel rieselt erster Schnee. "Dein Wunsch geht in die Füllung!", ist da auf einem Foto von Gewürzen und Wunderlampe zu lesen, ein Wortspiel. Drinnen streicht ein Maler die Wände, am Montag geht es los. Dann öffnet das Projekt "Salibaba", auch genannt "Salibaba und die 40 Pitas". Mekhail, sein Praktikant Zineh und ein weiterer syrischer Mitstreiter werden die Fladenbrote füllen und andere Gerichte reichen. Es wird Salibas erster Imbiss, den Syrer betreiben, die aus seiner und ihrer Heimat fliehen mussten. "Für die Flüchtlinge, für Syrien", sagt Hanna Saliba. Vielleicht ist es der Anfang einer neuen Serie.

Sein altes Imperium entstand, nachdem er 1971 aus der Küstenstadt Latakia nach Hamburg gekommen war. Hanna Saliba erinnert sich mit Schrecken, wie auf seiner Anreise vom Orient nach Europa vor 45 Jahren die Bahn in den Stuttgarter Kopfbahnhof hineinrollte und rückwärts wieder hinaus - er dachte kurz, der Zug bringe ihn dahin zurück, wo er Tage zuvor seine Sachen gepackt hatte. Das Gefühl der Flucht könne er nachvollziehen, obwohl er die Balkanroute damals gefahrlos und freiwillig passierte. Er wurde Kapitän und fuhr zur See. Er heiratete, bekam Kinder und einen deutschen Zweitpass - und wechselte Mitte der Achtzigerjahre in die Gastronomie.

Vom feinen Geschmack dieser jahrtausendalten Kultur wussten die meisten Hanseaten wenig, das änderte der Feinschmecker. Zwischenzeitlich betrieb Hanna Saliba elf Gaststätten, eine hieß "Palast der 1000 Lichter". Er wurde prominent, ein kräftiger Mann mit sanfter Stimme und einigem Durchsetzungsvermögen. Dann verkaufte der Unternehmer bis 2010 außer dem "Saliba" alle seine Lokale, baute ein 300 Jahre altes Kleinod mit Innenhof und Orangenbäumen in der Altstadt von Damaskus zum Gästehaus um und organisierte Reisen. Er wollte jetzt die Hamburger nach Syrien holen. Dann kam der Krieg.

Das Hotel steht noch und wird bewacht, aber es fährt seit 2011 natürlich kein Tourist mehr hin. Stattdessen wurde Hamburgs berühmtester Syrer zu einer Art Katastrophenberater. Statt Rezepten, Hamam, Ausgrabungsstätten oder Basar wollen sich Deutsche diese unfassbare Schlacht südöstlich von Europa erklären lassen und Syrer dieses rätselhafte Refugium Deutschland.

Hanna Saliba ist Christ. In seiner Geburtsstadt Latakia leben außerdem viele Alawiten, der Diktator Baschar al-Assad gehört dieser Religionsgemeinschaft an. Religiösen Minderheiten ging es nicht so schlecht unter dem Despoten, sie wollten ihn nicht stürzen, Islamisten fürchten sie mehr. "Aber als ich gesehen habe, was er aus diesem Land gemacht hat", sagt Saliba, er seufzt. "Er hätte es retten können. Wenn er gewollt hätte, wäre dieser Krieg gar nicht entstanden." Er könnte heulen, wenn er an diese Tragödie Syrien mit all den Kriegsparteien denkt, an Aleppo oder Palmyra. "Was für ein schönes Land, was für tolle Menschen. Deshalb ist die Enttäuschung darüber auch so groß, wie diese Menschen miteinander umgehen."

Ständig landen Traumatisierte auch bei ihm in der Wohnung

Ständig melden sich Hilfesuchende bei ihm, die sich vor IS, syrischer Armee oder anderen Waffenbrüdern in Sicherheit bringen. Ständig blinken auf seinem Handy Whatsapp, SMS, E-Mail, Eilmeldungen. Ständig sieht er diese Horrorbilder aus Syrien, ständig landen traumatisierte Schutzbedürftige auch bei ihm in der Wohnung. Verwandte, Freunde, Bekannte. Leute, die irgendwie an seine Nummer geraten sind, was in Hamburg schnell geht.

Feras Mekhail, 33, verließ das bombardierte Homs 2012, über die Türkei, Griechenland und Schweden geriet er schließlich nach Hamburg. Er ist Betriebswirt, heuerte aber gerne in Salibas Küche an. Nun hat Mekhail seinen Asylantrag durch und seine Familie nachgeholt und leitet diesen Versuch "Salibaba", vielleicht sogar bald verantwortlich. Unterstützt wird er von Mekail Zineh, 20, der 2015 in die Schweiz floh und vor sieben Monaten nach Deutschland. Beide sind Christen, doch das ist keine Bedingung. Unter den derzeit sieben Flüchtlingen, die Saliba beschäftigt, sind auch Muslime. Allerdings müssen alle Aspiranten beim Chef in die Lehre gehen, er verlangt Niveau. "Ich will, dass ein gutes syrisches Bild abgegeben wird. Deshalb bin ich streng."

Das "Salibaba" wird ein Prototyp, mit Falafel, Kebab, Pitas und mehr. Es könnte eine Kette syrischer Restaurants von Flüchtlingen werden, wer weiß. "Damit rettest du nicht einen, sondern gleich vier", sagt Hanna Saliba, der Syrer für geborene Händler hält. Wenn er hört, dass Feras Mekhail und Mekail Zineh trotz ihres Hamburger Glücks selbstverständlich Homs vermissen, dann wundert ihn das trotzdem nicht: "Das wird euch lebenslang begleiten."

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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