Finanzen:Rechenspiele

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mahnt Kabinettskollegen zum Sparen. Trotz der Krisen strebt er wieder einen ausgeglichenen Haushalt an. (Foto: Julien Warnand/dpa)

Trotz steigender Flüchtlingszahlen soll es auch im kommenden Jahr einen ausgeglichenen Haushalt geben.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Der Bundeshaushalt des Jahres 2016 soll ohne neue Schulden finanziert werden. Die Haushaltsexperten der Bundestagsfraktionen einigten sich in der Nacht zum Freitag in einer 16 Stunden andauernden Beratung darauf, der Vorgabe von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu folgen und trotz des anhaltenden Flüchtlingszustroms einen ausgeglichenen Haushalt zu planen. Das "Überraschendste" an der traditionell bis in die frühen Morgenstunden dauernden "Bereinigungssitzung" für den Haushaltsentwurf des Bundesfinanzministers sei nicht das Festhalten an der "schwarzen Null" gewesen, sagte Johannes Kahrs (SPD) der Süddeutschen Zeitung am Morgen danach. "Sondern, dass wir trotz der Irrungen und Wirrungen in der Koalition und in der Union auf der sachlichen Ebene ein sehr gutes Arbeitsklima hatten." Mit anderen Worten: Die Fachpolitiker seien sich einig gewesen, die machtpolitischen Streitereien ihrer Chefs konsequent aus den Beratungen auszuklammern.

Jenseits des üblichen Geplänkels präsentierten die Haushälter ernsthafte Zahlen. So sollen im kommenden Jahr 316,9 Milliarden Euro eingenommen und eben auch ausgegeben werden. Dem Haushalt liegt die Annahme zugrunde, dass maximal 800 000 Asylbewerber nach Deutschland kommen - diese Zahl ist zugleich die große Unbekannte in den Planungen. Unions-Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg und sein SPD-Kollege Kahrs wiesen darauf hin, dass weiter steigende Flüchtlingszahlen zu steigenden Ausgaben führen, die von den zu erwartenden Einnahmen nicht mehr gedeckt werden könnten.

Dass die schwarze Null überhaupt noch auf dem Deckblatt des Haushaltsentwurfs 2016 steht, liegt an den hohen Einnahmeüberschüssen des laufenden Jahres. Diese werden ausnahmslos in einen Puffer gebucht und in das kommende Jahr übertragen. Bisher beträgt der Puffer 6,1 Milliarden Euro. Dieser Betrag ist bereits im Haushalt des Jahres 2016 verplant. Die Haushälter rechnen damit, dass der Überschuss bis zum Jahresende weiter steigen wird. Zwischen "1,5 bis 3,5 Milliarden Euro", sagt Kahrs, seien in den vergangenen beiden Monaten des laufenden Jahres noch zu erwarten. Weiteren Spielraum böten die Einsparungen bei den Zinskosten des Bundes sowie zusätzliche Einnahmen - etwa beim Gewinn, den die Bundesbank abführen muss.

Der Etat des Auswärtigen Amts für Krisenprävention wird fast verdoppelt

In der langen Nacht, in der alle Fachminister der Regierung ihren jeweiligen Haushalt verteidigen mussten, wurden noch einige Etats "bereinigt", wie es heißt. Vor allem in Bereichen, die von der Flüchtlingskrise betroffen sind, wurde noch einmal aufgestockt: Die Bundespolizei soll im Rahmen des verabschiedeten Asylpakets insgesamt 1568 neue Stellen erhalten. Einschließlich der bereits im Regierungsentwurf vorgesehenen Mittel steigt ihr Haushalt um 497,8 Millionen Euro im Vergleich zum laufenden Jahr. Der Etat des Auswärtigen Amts wird um weitere 400 Millionen Euro für die humanitäre Hilfe und Krisenprävention auf insgesamt eine Milliarde Euro aufgestockt. Im Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums sind mehr als 24 Millionen Euro vorgesehen, um bestätigte Asylbewerber in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Im Bundesfreiwilligendienst werden 10 000 zusätzliche Stellen geschaffen und dazu 50 Millionen Euro bereitgestellt.

Um eine Milliarde Euro aufgestockt wurden die Mittel für das Bundesinnenministerium. Das zusätzliche Geld soll in 3700 zusätzliche Stellen für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) fließen sowie an Sicherheitsbehörden und das Technische Hilfswerk. Um 15 Millionen Euro aufgestockt haben die Haushälter auch die Mittel für sogenannte C1-Sprachkurse, die auch als Sprachkurse für "Luxusflüchtlinge" bekannt sind. Während die A- und B-Sprachkurse die deutsche Sprache an durchschnittlich gebildete Asylbewerber vermitteln sollen und dem Arbeitsministerium von Ministerin Andrea Nahles (SPD) zugeordnet werden, dürfen akademisch gebildete Asylbewerber wie der oft genannte Ingenieur aus Syrien eine besondere Sprachausbildung genießen - eben den C1-Kurs, der den Asylbewerbern allgemeines und gehobenes, fachsprachliches Deutsch nahebringen soll. Diese Kurse sind wiederum dem Familienministerium von Manuela Schwesig (SPD) zugeordnet - und waren bisher meist schon im März für das Jahr ausgebucht. Das soll sich ändern.

Absehbar ist, dass auch bei gleichbleibenden oder sinkenden Flüchtlingszahlen weitere Ausgaben entstehen werden. So sind die Zuschüsse noch nicht eingestellt, die Deutschland direkt oder über die Europäische Union an die Türkei zahlen will, um gemeinsam Grenzen zu sichern und die dortigen Lebensbedingungen zu verbessern. Die Oppositionsfraktionen warfen der Regierung vor, die Flüchtlingsausgaben schönzurechnen, um den "Fetisch" der schwarzen Null zu wahren.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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