FDP nach der Hessen-Wahl:Schwarz-Rot-Gelb

Lesezeit: 3 min

Nein, Jörg-Uwe Hahn ist nicht Hessens Ministerpräsident und Westerwelle nicht der Bundeskanzler. Wahr ist aber: Die Koalition wird ab sofort auf die Hilfe der FDP angewiesen sein.

Nico Fried

Man muss zunächst ein paar Dinge klarstellen: Jörg-Uwe Hahn ist nicht der neue Ministerpräsident in Hessen und Guido Westerwelle nicht der neue Bundeskanzler.

Guido Westerwelle und Jörg-Uwe Hahn: Aus dem Geist, der stets verneint, wir jener, der stets verjeint. (Foto: Foto: Getty)

Die FDP herrscht keineswegs in den fünf größten Bundesländern, sie regiert dort lediglich mit - und zwar immer als kleiner Koalitionspartner der Union. Deshalb sind auch die 50 Millionen Bürger, die in diesen Ländern leben, nicht alle FDP-Wähler. Und die Liberalen haben im Bundesrat auch keine Mehrheit gewonnen, die große Koalition hat sie verloren.

Dennoch verleitet der Jubel über das Ergebnis in Hessen manchen Freidemokraten womöglich dazu, sich nun zu überschätzen. Das entspräche der Tradition der FDP, die ein bisschen Macht schon immer zu ziemlich viel Bedeutung aufgeblasen hat (eine Rolle, die in den Jahren liberaler Machtlosigkeit die CSU alleine übernahm).

Für so bedeutend wurde die FDP einmal gehalten, dass die Veteranen dieser Ära noch heute wie aktive Politiker behandelt werden und manche sich mehr davon versprechen, mit Hans-Dietrich Genscher, Otto Graf Lambsdorff oder Gerhart Baum zu reden als mit Dirk Niebel oder Cornelia Pieper.

Richtig aber ist schon: Die große Koalition wird ab sofort vor allem auf die Hilfe der heutigen FDP angewiesen sein. Was Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier und Horst Seehofer zusammenbasteln und Union und SPD im Bundestag beschließen, findet künftig am schnellsten eine Mehrheit im Bundesrat, wenn auch die Liberalen mitmachen.

Guido Westerwelle hat nach Jahren des Darbens als Parteichef endlich ein wenig echten Einfluss. Er muss nicht mehr im Bundestag alles besser wissen, er darf es jetzt auch besser machen. Er muss nicht mehr nur von Verantwortung reden, er darf verantwortlich handeln. Wenn er kann.

Das ist schön für Westerwelle. Und man muss schon anerkennen, dass er in der Opposition eine Menge Geduld und Durchhaltevermögen aufgebracht hat. Seine neue Rolle hat aber eine Kehrseite: Westerwelle hängt jetzt mit drin. Aus der großen wird eine riesengroße Koalition. Ihre guten Wahlergebnisse in den Ländern, einschließlich Hessen, erzielte die FDP aber, solange sie mit dem Kompromisslertum in Berlin noch nichts zu tun hatte. Übrigens: Die Grünen haben es da leichter. Sie profitieren wie die FDP vom Verdruss an der großen Koalition, müssen aber bis zur Bundestagswahl nicht ins Joch der Verantwortung.

Die FDP aber wird nun selber Kompromisse machen müssen. Aus dem Geist, der stets verneint, wird nun der Geist, der stets verjeint. Der scharfe Ton, den Westerwelle in seinen Reden pflegte, könnte in den Niederungen des Vermittlungsausschusses alsbald verfisteln. Das Konjunkturpaket, in dem der FDP-Chef neulich im Bundestag noch "großen Mist" erkannt hat, muss er bald mitbeschließen lassen, mit kleinen Änderungen, die er zu großen Siegen erklären wird. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass die Bürger einen solchen Schwindel schnell erkennen.

Angela Merkel steht in dieser schwarz-rot-gelben Koalition ein Déjà-vu bevor. Als Ministerin im Kabinett von Helmut Kohl hat sie bereits erlebt, wie die kleine FDP der großen Union manchen unliebsamen Kurs diktierte. Merkel ist das nicht in guter Erinnerung, ihr Verhältnis zur FDP reserviert geblieben. Es spricht auch nichts dafür, dass sie sich mit Guido Westerwelle und Hermann Otto Solms in der Finanz- und Wirtschaftskrise wohler gefühlt hätte als mit Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier. Für die große Mehrheit in der Union mag die FDP der natürliche Koalitionspartner sein, bei Merkel sieht man sich oft veranlasst, noch einen Satz dazu zu denken: Wenn's denn sein muss.

Deshalb könnte Westerwelle versucht sein, vor allem solche Forderungen zu stellen, die in der Union jenseits von Merkel Zuspruch finden. Er wird seine Chance suchen, die Kanzlerin von ihrem Schmusekurs mit der SPD zurückzuzwingen auf den Weg, den er für den Pfad schwarz-gelber Tugend hält. Wenn aber die FDP das Profil entwickelt, das sich viele Christdemokraten eigentlich von ihrer Partei wünschen, dann könnten die Liberalen für die Union das werden, was die Linke für die SPD schon ist.

Noch schwerer mit der neuen Rolle der Liberalen haben es die Sozialdemokraten. Jenseits der verhassten großen Koalition bietet die FDP in einer Ampel mit den Grünen die einzige Machtoption für die SPD im Bund. Eine FDP, die nun beim Konjunkturpaket stets das Gegenteil dessen verlangen wird, was die SPD will.

Eine FDP, die mit der Union in fünf Ländern regiert, aber nirgends mit der SPD, schon gar nicht in einer Ampel. Eine FDP, die nur mit der Union Horst Köhler zum Bundespräsidenten wählen wird, weil Steinmeier nicht den Mumm hatte, Gesine Schwan als Kandidatin zu verhindern, und Müntefering nicht den Mumm hatte, sie rechtzeitig zurückzuziehen.

Deshalb kämpft die SPD seit Sonntag nicht mehr für eine bestimmte Regierungskoalition, zum Beispiel die Ampel, sondern nur noch gegen die Mehrheit von Union und FDP. Diese Blockbildung, die Parteichef Müntefering am Wahlabend selbst vorgenommen hat, wird die Diskussion um die Linkspartei in der SPD aber nicht beenden, sondern verstärken. Die SPD ist die einzige Partei, die aus einem Jahr hessischer Verhältnisse auch im Bund nichts gewonnen hat, außer Erfahrung, und nichts bekommen hat, außer einer neuen Führung, die sich am Erbe der alten aufreibt.

© SZ vom 20.01.2009/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Landtagswahl in Hessen
:"Der Spuk ist vorbei"

Hessen hat seinen neuen Landtag gewählt. Das klare Ergebnis für eine schwarz-gelbe Koalition beendet die Querelen, die das Bundesland ein Jahr lang beschäftigt hatten.

Jetzt entdecken

Gutscheine: