Fall Kurnaz:In der Koalition wachsen die Zweifel an Steinmeier

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Im Fall Kurnaz gehen Politiker aus CDU und SPD auf Distanz zum Minister. Steinmeier sichert rasche Aussage im Ausschuss zu.

Nach dem Bekanntwerden neuer Details in der Affäre um den Bremer Türken Murat Kurnaz gehen die ersten Politiker der großen Koalition auf vorsichtige Distanz zu Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.

Der CDU-Obmann im BND-Untersuchungsausschuss, Hermann Gröhe, sagte der Süddeutschen Zeitung, sollte die rot-grüne Bundesregierung einem Menschen, dessen Unschuld sogar von einer deutschen Staatsanwaltschaft festgestellt worden sei, den gebührenden Schutz verweigert haben, so könne dies nicht ohne Konsequenzen bleiben. Der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) äußerte sich ähnlich.

"Das, was wir bisher an Fakten wissen, wirft ernste Fragen an Steinmeier auf", sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete Kristina Köhler der Welt am Sonntag. Köhler sitzt für ihre Fraktion im Untersuchungsausschuss.

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andreas Schockenhoff, sagte, die rot-grüne Bundesregierung müsse "schon sehr starke sicherheitspolitische Gründe gehabt haben, um sich nicht für die Freilassung von Kurnaz einzusetzen". Auch aus der SPD gab es erste kritische Stimmen. Das Bundesvorstandsmitglied Niels Annen bezeichnete die Vorwürfe gegen den Außenminister als gravierend.

Die SZ hatte berichtet, dass die Bundesregierung bis Ende 2005 versucht hatte, die Rückkehr des Guantanamo-Gefangenen Kurnaz zu verhindern. Damals war Steinmeier als Kanzleramtschef für die Geheimdienste verantwortlich. Aus vertraulichen Unterlagen ergibt sich, dass die Regierung noch am 27. Oktober 2005 nach Belastungsmaterial gegen Kurnaz suchte.

Bei einem Treffen zweier Staatssekretäre des Innen- und Außenministeriums wurde festgehalten, dass nur "gerichtsverwertbares Material" ein neues Visum für Kurnaz verhindern könne. Ende 2002 hatten die USA bereits die Freilassung von Kurnaz angeboten, doch die deutschen Behörden fürchteten offenbar das Medienecho nach seiner Rückkehr.

Die Regierung müsse dann womöglich dokumentieren, "dass alles versucht wurde, seine Rückkehr zu verhindern", heißt es in einem Geheimdienstvermerk Ende 2002. Darin steht auch, dass Kurnaz keinerlei Kontakte zum Milieu gewaltbereiter Islamisten habe.

Angesichts des wachsenden Drucks versprach Steinmeiers Sprecher Martin Jäger am Wochenende eine rasche Aussage des Ministers vor dem Ausschuss: "Wir hoffen, dass die Arbeiten des Untersuchungsausschusses jetzt sehr zügig vorangehen und alle relavanten Zeugen gehört werden, damit Bundesminister Steinmeier dort rasch das Notwendige klarstellen kann." Bisher gibt es jedoch noch keinen Termin für eine Aussage. Derzeit gilt ein Auftritt im April als wahrscheinlich.

Die nächste Sitzung des Ausschusses ist am 1.Februar. Dabei wird es nicht zu der erwarteten Gegenüberstellung von Kurnaz mit drei Geheimdienst-Mitarbeitern kommen, die Kurnaz Ende 2002 in Guantanamo verhört haben.

Die Mehrheit der Regierungsabgeordneten lehnte einen entsprechenden Antrag des FDP-Vertreters Max Stadler ab. Dem Antrag hatten sich nicht nur Grüne und Linke, sondern auch der Vorsitzende Siegfried Kauder angeschlossen. Er konnte sich jedoch bei SPD und Union nicht durchsetzen.

© SZ vom 22. Januar 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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