Fahrerlose Autos:Risiken und Nebenwirkungen

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Die Straße ist kein Experimentierfeld. Und das Straßenverkehrsgesetz ist nicht dafür da, Verkehrsminister Dobrindt lustvolle Gefühle zu bereiten.

Von Heribert Prantl

Die Straße ist kein Experimentierfeld. Und das Straßenverkehrsgesetz ist nicht dafür da, einem Minister lustvolle Gefühle als Modernisierer zu verschaffen. Wenn Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt für die Entwicklung des fahrerlosen Autos wirbt, ist dagegen wenig zu sagen. Sehr viel aber ist dagegen zu sagen, dass er diese Autoautos schon jetzt per Gesetz auf die deutschen Straßen setzen will. Die von ihm geplante Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, um das automatisierte Fahren in Deutschland rasch zu ermöglichen, ist unverantwortlich. Warum? Verantwortung hat mit Antwort zu tun; aber auf alle ethischen und rechtlichen Fragen, die sich im Zusammenhang mit den fahrerlosen Autos stellen, hat der Minister keine Antwort.

Zu Risiken und Nebenwirkungen befragen Sie Herrn Dobrindt? So einfach per Beipackzettel im Handschuhfach geht das nicht. Beim gegenwärtigen Stand der Technik der Autoautos ist das grüne Dobrindt-Licht gefährlich; beim gegenwärtigen Stand der rechtlichen Diskussion ist dieses grüne Dobrindt-Licht eine Pflichtverletzung. Die Technik des automatisierten Fahrens ist noch nicht ausgereift; und die rechtliche Diskussion über Haftungsfragen hat soeben erst begonnen.

Wer ist schuld, wenn der Autopilot Fehler macht? Wer muss den Schaden, wer muss das Schmerzensgeld, wer muss die Ersatzansprüche bezahlen? Wer wird bestraft für schuldhaftes Versagen des Computers? Welche Autopilot-Programme für den Fall eines unvermeidbaren Unfalls sind statthaft? Solche Fragen müssen geklärt werden, bevor die Autoautos sich in den Verkehr mischen. Ein Verkehrsminister, der diese Fragen von sich wegschiebt, ist verkehrt. Es reicht nicht, wenn die Gerichte irgendwann nachträglich Regeln entwickeln. Die Produzenten und die Nutzer automatisierter Autos müssen wissen, welche Regeln gelten. Die Rechtsfragen müssen beantwortet werden, bevor diese Autoautos sich im Verkehr bewegen. Die Entwicklung von fahrerlosen Autos ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch eine Frage von Ethik und Recht: Welchen Risiken dürfen die Verkehrsteilnehmer ausgesetzt werden? Welche Haftungsrisiken müssen die Autohersteller tragen?

Ein Verkehr ohne Recht und Ethik ist Chaos

Solche Fragen müssen auch deswegen geklärt werden, weil die Kundschaft von diesem Autoauto, so es denn wirklich kommen soll, überzeugt werden muss. Es gilt hier der alte Satz: Autos kaufen keine Autos; auch keine Autoautos. Die Entwicklung, Produktion und Zulassung von Autoautos sind ein besonderes Beispiel dafür, dass Ökonomie nicht losgelöst von der Gesellschaft existiert.

Der Systemtheoretiker Niklas Luhmann hat einmal, als er über Ethik und Recht in der Wirtschaft nachdachte, die Frage gestellt: "Was haben die englische Küche und die Wirtschaftsethik gemeinsam?" Er gab selbst die böse Antwort: "Ihre Nichtexistenz". Das ist ein wunderbarer Zynismus - aber keine befriedigende Haltung für einen Verkehrsminister. Ein Verkehr ohne Ethik und Recht ist Chaos.

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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