Ex-Terrorist Christian Klar:"Die Tür ist nicht zu"

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Baden-Württembergs Justizminister Goll rechtfertigt, warum er sich trotz anders lautender Empfehlungen gegen Hafterleichterungen für früheren RAF-Terroristen entschied.

Bernd Dörries

Am Dienstagabend tagte in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal die Vollzugsplankonferenz. Die Anstaltsleitung und Justizbeamte saßen zusammen und beschlossen, für den Häftling Christian Klar Lockerungen zu empfehlen.

Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (Foto: Foto: AP)

Zuvor hatte der Freiburger Kriminologe Helmut Kury ein Lockerungsgutachten erstellt, das positiv für Klar ausfiel. Für einen kurzen Moment konnte der ehemalige RAF-Terrorist damit rechnen, von Mitte des Jahres an Hafterleichterungen zu erhalten, die in Stufen von kurzen begleiteten Ausgängen bis zum Status eines Freigängers reichen können.

Am Tag darauf verschickte der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP) eine Pressemitteilung, in der er eine Veränderung der Haftbedingungen für Klar vorerst ausschloss. Er begründete seine Haltung mit dem Grußwort Klars an die linke Rosa-Luxemburg-Konferenz, in dem er unter anderem eine "Niederlage der Pläne des Kapitals" propagierte.

Goll will den 54-jährigen Klar erneut begutachten lassen, dessen Beitrag sei erst nach Abschluss der Arbeit des Kriminologen Kury entstanden und stelle eine neue Situation dar.

Klars Anwalt spricht von Verzögerungstaktik

"Ich will die Äußerungen nicht zu hoch hängen, ich tue sie aber auch nicht mit links ab", sagte Goll am Donnerstag der Süddeutschen Zeitung. "Der neue Gutachter muss nicht bei null anfangen, er soll klären, ob in den Äußerungen von Klar ein Widerspruch zum bisherigen Gutachten besteht."

Heinz-Jürgen Schneider, der Anwalt von Christian Klar, sieht in dem Verhalten von Goll eine "Verzögerungstaktik", die letztlich darauf ziele, Klar möglichst lange im Gefängnis zu halten.

Dessen Ziel sei es, schon vor dem frühest möglichen Entlassungstermin Anfang 2009 in eine Berliner Haftanstalt verlegt zu werden, dort Freigang zu erhalten und als Praktikant in der Bühnentechnik des Berliner Ensembles zu arbeiten, was ihm der Intendant Claus Peymann angeboten hat. Klars Grußwort, an dem dieser Plan vorerst scheitert, sei "nichts anderes als das, was man Globalisierungskritik kennt", sagt Schneider.

Um das recht kurze Schreiben, das bereits Mitte Januar verlesen wurde, aber erst in der vergangenen Woche allgemein bekannt wurde, wird mittlerweile in Textanalysen debattiert, wie man sie aus Germanistik-Seminaren kennt.

Sie verlaufen entlang der bekannten Fronten um die Frage, ob da nur einer Blödsinn geredet hat, oder gefährlichen Blödsinn. Gerhart Baum, der frühere FDP-Innenminister, hält es für "Revolutionskauderwelsch", das aber in der Gesellschaft von verschiedenen Gruppen durchaus vertreten werde.

Er denke da an Abgeordnete der Linkspartei im Bundestag. Solche Äußerungen zur Grundlage für Hafterleichterung oder Begnadigungen zu machen, sei "Gesinnungsjustiz", warnte Grünen-Chefin Claudia Roth.

Keine Rede von Gewalt

Goll sagt: "Es geht gar nicht darum, dass einer den Kapitalismus nicht kritisieren darf, sondern darum, dass jemand seine Theorien von damals wiederholt, die ihn letztlich zur Ermordung von Menschen gebracht haben."

Von Gewalt ist aber in dem Text von Klar nichts zu lesen. Auch der jetzige Stuttgarter Generalstaatsanwalt und frühere RAF-Ankläger Klaus Pflieger, der sich wiederholt gegen eine Begnadigung ausgesprochen hatte, kann aus dem Traktat "keine Gefährlichkeit ableiten". Von den 19 früheren RAF-Terroristen, die bisher freigelassen wurden, sei kein einziger rückfällig geworden. Bei Klar werde es wahrscheinlich nicht anders sein.

Goll ist davon trotz eines Gutachtens und der positiven Empfehlung der Haftanstalt noch nicht überzeugt, was ihm den Vorwurf eingebracht hat, nach politischen Kriterien zu entscheiden, nicht nach rechtsstaatlichen. "Die Türe ist nicht zu. Wir lagen mit dem Beginn möglicher Lockerungen voll im üblichen Zeitplan", sagt Goll hingegen.

Dieser Zeithorizont könnte sich durch das zweite Gutachten verschieben. "Das hat sich Herr Klar letztlich selbst zuzuschreiben. Ich habe seine jüngsten Äußerungen nicht bestellt. Einfach ignorieren lassen sie sich nicht", sagt Goll.

Für Bundespräsident Horst Köhler wird sich diese Frage ebenfalls stellen. Er denkt zurzeit über eine Begnadigung Klars nach und wird nun möglicherweise auch auf ein zweites Gutachten warten.

© SZ vom 02. März 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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