Ex-Häftling Kuntar:Ein Maschinengewehr zum Geburtstag

Lesezeit: 2 min

Der bis vor kurzem in Israel inhaftierte Samir Kuntar ist zurück in seiner Heimat Libanon, wo er mit einem besonderen Geschenk überrascht wurde - aber ein Fremdkörper ist.

Als Samir Kuntar die libanesische Grenze passierte, war der prominenteste Gefangene Israels zunächst desorientiert. "Wo sind wir?", fragte er etwas hilflos, bevor ihn die Menge davontrug, um die Heimkehr ihres "Widerstandshelden" zu feiern.

Ein Libanese mit palästinensischem Akzent: der ehemalige Gefangene Samir Kuntar. (Foto: Foto: dpa)

Eine Woche später sitzt der untersetzte Libanese, den sie in Israel den "Kindesmörder" nennen, im Hof seines Elternhauses unter einem duftenden Jasminstrauch und spielt mit seiner Nichte.

Zu seinem 46. Geburtstag hat er von der pro-iranischen Schiiten-Miliz Hisbollah ein Maschinengewehr geschenkt bekommen. "Das war nach meiner Freilassung die zweite große Freude, die ich in dieser Woche erleben durfte", sagt Kuntar, der am 17. Juli gemeinsam mit vier Hisbollah-Kämpfern freigelassen worden war. Israel erhielt im Tausch die sterblichen Überreste von zwei Soldaten, die vor zwei Jahren von der Hisbollah an der Grenze überfallen und verschleppt worden waren.

Dank an die Hisbollah

Das Bild des Hisbollah-Generalsekretärs Hassan Nasrallah hängt jetzt vor dem Haus der Familie von Samir Kuntar, die aus Freude über seine Freilassung seit Tagen Süßigkeiten an Nachbarn und Besucher verteilt. Hisbollah-Kämpfer haben mit ihren Fahrzeugen das Haus umstellt und bewachen ihn. Dabei ist Kuntar ein Fremdkörper in seiner Heimat. Denn er ist kein Schiit, sondern Angehöriger der drusischen Minderheit. In seinem Dorf Abey, 35 Kilometer südöstlich von Beirut, hält man Drusenführer Walid Dschumblatt die Treue, einem der schärfsten Kritiker der Hisbollah.

Doch Kuntar, der 1979 nach einer missglückten Kommandooperation einer radikalen Palästinensergruppe in Nordisrael gefangen genommen worden war, hat seiner Freilassung weder den Palästinensern noch Dschumblatt zu verdanken, sondern der von Iran unterstützten Hisbollah. "Auch die Deutschen haben durch ihre Vermittlung viel dazu beigetragen, sie haben den Fall sehr gründlich studiert und alles geheim gehalten", sagt Kuntar.

Den deutschen Vermittler Gerhard Conrad hat er jedoch nach eigener Aussage nie zu Gesicht bekommen. Nach seiner Rückkehr in die Heimat hatten Angehörige der israelischen Sicherheitskräfte erklärt, der Libanese, "der ein kleines Kind getötet hat", habe allen Grund, um sein Leben zu fürchten. In Kuntars Nachbarschaft heißt es, "seitdem er hier ist, fliegt die israelische Luftwaffe täglich über unser Dorf".

Kuntar bestreitet bis heute, dass er die vierjährige Einat Haran in jener verhängnisvollen Nacht im April 1979 mit dem Kolben seines Gewehrs erschlagen hat. "Sie starb im Kreuzfeuer durch eine Kugel", sagt er. Seine Nichte hört zu. Sie glaubt an seine Version der Ereignisse, so wie die Mehrheit der Libanesen. Unbestritten ist nur, dass Kuntar und vier Palästinenser damals mit einem Schlauchboot die israelische Küste erreichten und einen Polizisten töteten, der sie entdeckt hatte. Anschließend drangen sie in die Wohnung der Familie Haran ein und erschossen Danny Haran, den Vater von Einat. Auch die zweijährige Tochter der Harans starb. Ihre Mutter erstickte sie versehentlich, als sie versuchte, das Kind ruhig zu halten, um nicht von den Angreifern entdeckt zu werden.

Für den Tod der Erwachsenen rechtfertigt sich Kuntar nicht, der den bewaffneten arabischen Widerstand gegen israelische Besatzung immer noch für legitim und heroisch hält. Nur, dass man ihm vorwirft, ein Kind erschlagen zu haben, scheint ihm zu schaffen zu machen.

Nach fast 30 Jahren im israelischen Gefängnis hat Kuntar seinen libanesischen Dialekt fast vergessen. Er spricht wie ein Palästinenser. Er hat in seiner Zelle Soziologie studiert, auf Englisch und auf hebräisch und auf die Freilassung gewartet. "Ich wusste immer, dass ich eines Tages freikommen würde", sagt er.

© dpa/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: