Europäische Union:Der Zivilschutz soll verbessert werden

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Nach den Sprengstoffattentaten auf Nahverkehrszüge in Madrid ist der Schutz der europäischen Bevölkerung vor weiteren Terroranschlägen in den Mittelpunkt der EU-Politik gerückt: Verkehrssysteme, Wasserversorgung und Energienetze sollen gegen Terror-Attacken gerüstet werden.

Von Cornelia Bolesch

Europas Staats-und Regierungschefs haben am Donnerstagabend auf dem EU-Gipfeltreffen dazu aufgerufen, alle wichtigen Verkehrssysteme in der Europäischen Union auf künftige Bedrohungen vorzubereiten, darunter auch Häfen und Schiffe. Ebenso müssten lebenswichtige Dienstleistungen wie Wasserversorgung, Energienetze und Telekommunikation gegen Terrorattacken gerüstet werden. Auch die Lebensmittelindustrie sei betroffen, heißt es in dem von der irischen EU-Ratspräsidentschaft vorbereiteten Entwurf zur gemeinsamen Anti-Terror-Erklärung.

"Nicht ausreichend vorbereitet"

Das zwanzigseitige Gipfel-Dokument fordert die Mitgliedstaaten auf, Informationsstrukturen aufzubauen, um im Fall eines massiven Terrorangriffs mit ihren Bevölkerungen "besser zu kommunizieren". Kritik am bisherigen Zivilschutz in der EU hat Regionalkommissar Michel Barnier geübt. Sollte es irgendwann einen terroristischen Angriff mit Chemiewaffen auf das Untergrundbahn-System einer europäischen Großstadt geben, sei die EU darauf "nicht ausreichend vorbereitet", sagte Barnier.

Zusammen mit Umweltkommissarin Margot Wallström setzte sich der französische Kommissar dafür ein, die europäische Zusammenarbeit im Zivilschutz zu verbessern. Die bereits vorhandene Koordinationsstelle unter dem Dach der Kommission sei auf verstärkte Informationen aus den Mitgliedstaaten angewiesen und auf mehr Geld, um Trainingsprogramme für gemeinsame Einsätze zu finanzieren.

Langfristig sprach sich Barnier für einen "echten integrierten EU-Katastrophenschutz" aus. Nationale Spezialisten sollten dabei im europäischen Verbund eng zusammenwirken. Die "Solidaritätserklärung", die am heutigen Freitag auf dem EU-Gipfeltreffen verabschiedet werden soll, sei eine wichtige Vorbedingung für dieses Projekt, so Barnier. In dieser Erklärung verpflichten sich die Mitgliedstaaten, einander im Fall einer Terrorattacke "mit allen verfügbaren Mitteln, inklusive militärischer Kapazitäten", zu Hilfe zu kommen.

Außerdem soll künftig eine spezielle Koordinationsstelle im EU-Ministerrat eingerichtet werden. Einziger Kandidat für diesen Posten ist der Liberale Gijs de Vries, früherer Staatssekretär im niederländischen Innenministerium.

Bürgerrechtler warnten unterdessen davor, die Sicherheitsmaßnahmen zu Lasten bürgerlicher Freiheiten zu überdehnen. Die britische Organisation "Statewatch" erklärte, von den 57 geplanten Anti-Terror-Maßnahmen der Europäer hätten 27 mit dem Kampf gegen den Terrorismus nur vordergründig zu tun. Vor allem die Pläne zur Überwachung der Telefongespräche und zur Speicherung von Passagierdaten hebelten den Datenschutz aus und bedrohten die Bürgerrechte.

Noch keine Einigung

Neben dem gemeinsamen Willen zu einer wirksameren Anti-Terror-Politik wurde am ersten Tag des Treffens die Bereitschaft der Regierungen deutlich, die europäische Verfassung möglichst bald zu verabschieden. "Eine Einigung erscheint möglich", meinte der niederländische Regierungschef Jan Peter Balkenende. In den Details würden die Verhandlungen jedoch nicht einfach. "Wir haben uns noch nicht auf eine Formel geeinigt", sagte Balkenende.

Das betrifft vor allem den geplanten neuen Abstimmungsmodus im Ministerrat. Zuletzt sperrte sich noch die polnische Regierung gegen das Prinzip der "doppelten Mehrheit" - eine Entscheidung wird getroffen mit der Mehrheit der Staaten, die 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren -, doch nach einem Treffen der Benelux-Staaten mit den Beitrittsländern Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei signalisierte Polens Außenminister Wlodimierz Cimoszewicz am Donnerstag erneut die Kompromissbereitschaft seiner Regierung.

Er schließe eine Einigung "auf der Basis der doppelten Mehrheit" nicht aus, sagte der Minister. Der irische Premier und EU-Ratspräsident Bertie Ahern hält eine Einigung auf die europäische Verfassung noch vor den Europawahlen am 13.Juni für möglich, "vorausgesetzt, der politische Wille dafür ist vorhanden", das schrieb der irische Gastgeber seinen Kollegen am ersten Gipfeltag beim Abendessen ins Stammbuch.

© SZ vom 26.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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