EU-Türkei:Erdoğan erteilt Merkel Absage

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Der türkische Präsident beharrt in der Anti-Terror-Politik auf seinem Kurs . Die Kanzlerin stellt infrage, dass Türken im Rahmen des Flüchtlingspakts rasch Visafreiheit gewährt wird.

Von Daniel Brössler, Mike Szymanski, Istanbul

Die Reise von Angela Merkel in die Türkei ist ohne Annäherung zwischen der Bundeskanzlerin und Ankara im Streit um das Flüchtlingsabkommen zu Ende gegangen. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan lehnte es in einem Gespräch mit Merkel ab, die Anti-Terror-Gesetze seines Landes nach den Vorgaben der EU zu ändern. Dies stehe für Erdoğan "im Augenblick nicht zur Debatte", sagte Merkel nach dem Gespräch. Solange könne allerdings auch ein entscheidender Teil des Flüchtlingsabkommens nicht umgesetzt werden. Es geht um die von der EU in Aussicht gestellte Visafreiheit für türkische Bürger. Es sei absehbar, dass sie nicht wie geplant im Juli kommen werde, sagte Merkel. Man müsse nun "alles daransetzen, weiter im Gespräch zu bleiben".

Merkel war am Rande des Nothilfe-Gipfels der Vereinten Nationen in Istanbul mit Erdoğan zusammengetroffen. Nach wochenlangem Streit um die Anti-Terror-Gesetze und Demokratiedefizite in der Türkei hatte sie sich persönlich ein Bild von der Lage machen wollen. Vergangenen Freitag hatte das Parlament auf Betreiben der alleinregierenden islamisch-konservativen AKP die Abschaffung der Immunität von mehr als einem Viertel der Abgeordneten beschlossen. Merkel sagte, sie habe Erdoğan ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht. "Wir brauchen eine unabhängige Justiz, wir brauchen unabhängige Medien und wir brauchen ein starkes Parlament", sagte sie. Dennoch bleiben Differenzen. "Die Fragen, die ich bisher hatte, sind nicht vollständig geklärt", sagte Merkel.

Die Kanzlerin besteht darauf, dass die Türkei den Anforderungskatalog der EU zur Visafreiheit vollständig abarbeitet - samt Reform der Anti-Terror-Gesetze. "Ich habe deutlich gemacht, dass der Weg auf 72 Punkten beruht, die auch nicht neu entstanden sind." Merkel zeigte Verständnis dafür, dass sich die Türkei "akut" im Kampf gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK befinde. Sie habe Erdoğan gegenüber noch einmal klargemacht, dass die PKK auch von den Behörden in Deutschland als terroristische Organisation eingestuft sei.

Die EU verlangt aber, dass der Terrorbegriff in der Türkei enger gefasst wird. Derzeit werden in der Türkei auch zahlreiche Oppositionspolitiker und regierungskritische Journalisten wegen des Terrorvorwurfs von den Justizbehörden verfolgt. In Brüssel sagte ein Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum Streit um die Visafreiheit: "Das Datum ist wohl nicht so wichtig. Es geht darum, es richtig zu machen."

Merkel machte deutlich, dass sie trotz aller Differenzen weiter zum umstrittenen Flüchtlingsabkommen steht. Sie halte es für "richtig und wichtig", die Vereinbarung sei in "beiderseitigem Interesse". Sie müsse nun Schritt für Schritt umgesetzt werden. Sie bezeichnete die Schwierigkeiten bei der Umsetzung als einen "normalen Prozess" und verglich den Flüchtlingsdeal mit dem "Minsker Abkommen" im Ukraine-Konflikt, bei dem auch vieles noch nicht umgesetzt sei.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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