EU-Referendum in Irland:"Es sieht nicht gut aus"

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Erste Teilauszählungen deuten einen Sieg der Neinsager beim irischen Referendum an. EU-Politiker rätseln derweil schon über Auswege aus der drohenden Krise der Union.

Erste Teilauszählungen deuten auf eine Ablehnung des EU-Reformvertrags durch die irischen Wähler hin. Wie der staatliche Rundfunk RTE berichtet, seien bislang vor allem in ländlichen Gebieten und Arbeitervierteln der Städte die Neinsager in der Überzahl.

Ganz Europa blickt auf Irland, das als einziges Land in der EU die Bürger über den Vertrag von Lissabon abstimmen ließ. (Foto: Foto: AFP)

Noch dazu zeige sich in Mittelklassegegenden weniger Zustimmung für die EU-Reform als erwartet. Die Wahlbeteiligung schätzt RTE auf rund 45 Prozent - mit zuverlässigen Ergebnissen wird erst in einigen Stunden gerechnet. Der irische Europaminister Dick Roche zeigte sich nach den ersten Nachrichten pessimistisch: "Es sieht nicht gut aus".

Während in Irland ausgezählt wird, machen sich Politiker auf dem Kontinent bereits Gedanken über Konsequenzen der Abstimmung. Bei einem "Nein" der Iren will Frankreich für eine Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses in Europa werben und Sonderregelungen mit Irland aushandeln. "Das Wichtigste ist, dass der Ratifizierungsprozess in den anderen Ländern weitergeht", sagte der französische Europastaatssekretär Jean-Pierre Jouyet im TV-Sender LCI.

Neuer Anlauf kaum möglich

Die irische Regierung müsse dann erklären, ob sie nochmals eine Abstimmung über den Vertrag von Lissabon abhalten werde. Bleibe es bei einer Ablehnung, müsse unter französischer Ratspräsidentschaft ab Juli ein "juristisches Arrangement" zwischen Irland und den anderen 26 EU-Staaten für die künftige Zusammenarbeit gefunden werden.

Ein Sieg der Reformgegner in Irland bedeute zwar "juristisch, dass es keinen Vertrag mehr gibt", sagte Jouyet. Er halte es aber kaum für möglich, nach zehn Jahren Debatte über die Reform der EU-Institutionen und einer gescheiterten Verfassung nochmals einen Anlauf zu nehmen.

Deshalb "müssen wir im Rahmen des Lissabon-Vertrages bleiben". Auch sei es für ihn nicht vorstellbar, dass Irland aus der EU austreten könnte. Deshalb müssten mit dem Land "Arten spezifischer Kooperation" gefunden werden.

Frankreichs Premierminister François Fillon sagte am Donnerstagabend, bei einem "Nein" gebe "es natürlich keinen Lissabon-Vertrag mehr, außer wenn wir den Dialog mit dem irischen Volk wiederaufnehmen".

Jouyet betonte, der Premier habe damit nicht sagen wollen, dass Paris Irland zu einer neuen Abstimmung drängen wolle. Mit Blick auf die Parlamentsentscheidung über den Lissabon-Vertrag in Großbritannien sagte der Staatssekretär, er glaube nicht, dass dies Auswirkungen haben werde, "weil der britische Ratifizierungsprozess schon sehr weit fortgeschritten ist".

Chef der EU-Sozialdemokraten denkt an "Umgründung" der Union

Der Chef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz, fürchtet bei einem negativen Ausgang der irischen Abstimmung einen "tiefen Bruch" der Europäischen Union. "Dann gerät die Europäische Union nicht nur in die Krise, sondern in die Notwendigkeit einer Identitätsklärung", sagte Schulz in Brüssel. Ein Nein aus Irland würde die Gräben deutlich machen "zwischen denen, die eine vertiefte EU wollen und denen, die einen Binnenmarkt ohne jede Regeln wollen", sagte der SPD-Politiker mit Blick auf europaskeptische Länder wie Großbritannien.

Schulz rief die europäischen Staats- und Regierungschefs auf, während des Gipfeltreffens am kommenden Donnerstag und Freitag in Brüssel ins Europaparlament zu kommen und sich öffentlich zum Ausgang des Referendums zu äußern.

Im Fall eines Neins hält Schulz eine zweite Volksabstimmung in Irland nicht für eine Option. "Die Zeiten sind vorbei, wo man den Leuten sagen konnte, stimmt ab, bis Ihr ja sagt." Diese Variante sei seit dem Nein der Franzosen und Niederländer zur EU-Verfassung vor gut drei Jahren vom Tisch. Stattdessen stelle sich die Frage einer "Umgründung der Europäischen Union". Die 18 EU-Staaten, die die Verfassung ursprünglich wollten, könnten sie annehmen und zugleich alle vorhergehenden Verträge aufkündigen, sagte Schulz. Ein solches "Kerneuropa" ist allerdings hoch umstritten.

© sueddeutsche.de/AFP/buma/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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