EU-Afrika-Gipfel:1,8 Milliarden Euro für weniger Flüchtlinge

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Zeit der Zäune: Slowenische Soldaten haben begonnen, Stacheldraht an der Grenze zu Kroatien zu entrollen. (Foto: Jure Makovec/AFP)
  • Die EU will mindestens 1,8 Milliarden Euro Entwicklungshilfe an Afrika zahlen.
  • Im Gegenzug sollen Fluchtursachen in den afrikanischen Staaten bekämpft und damit die Flüchtlingszahlen gesenkt werden.
  • Kritiker zweifeln an der Wirksamkeit des Ansatzes und werfen der EU vor, ihre Werte zu verraten.

Von Daniel Brössler und Thomas Kirchner, Valletta

Geld gegen Wohlverhalten: Mindestens 1,8 Milliarden Euro stellen die EU-Staaten Afrika in Aussicht, um den Kontinent zu mehr Kooperation in der Flüchtlingskrise zu bewegen. Bei einem Gipfeltreffen im maltesischen Valletta, das am Mittwochabend begann, werden sich beide Seiten an diesem Donnerstag auf einen Aktionsplan einigen. Das Ziel ist einerseits, die Zahl der Flüchtlinge zu senken, die aus Nordafrika nach Europa streben. Zum anderen will die EU afrikanische Staaten dazu bewegen, aus Europa abgeschobene Flüchtlinge wieder aufzunehmen. Kritiker zweifeln nicht nur an der Wirksamkeit dieses Ansatzes, sie werfen der EU auch vor, ihre Werte durch die Zusammenarbeit mit Unrechtsregimen zu verraten.

Geplant worden war das Malteser Treffen nach der Katastrophe von Lampedusa im April. Inzwischen haben sich die akuten Probleme zwar auf den Balkan verlagert, nur noch jeder siebte Migrant kommt über das zentrale Mittelmeer. Doch bleibt die EU an der Hilfe afrikanischer Regierungen interessiert. Die Faktoren, die deren Bürger zur Migration bewegen, sind langfristiger Natur und entsprechend schwierig zu bekämpfen. Bei Ländern wie Syrien hingegen rechnen Experten mit einem Rückgang der Migration, wenn der dortige Konflikt zu Ende sein sollte.

Kanzlerin Angela Merkel sagte in Valletta, das Treffen sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg, "ein kameradschaftliches Verhältnis zu Afrika zu entwickeln, aber gleichzeitig auch eines, in dem neben Hilfe auch klare Forderungen formuliert werden und Erwartungen".

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Der Aktionsplan konzentriert sich zunächst auf Fluchtursachen wie Armut, fehlende Bildung, Instabilität und schlechte staatliche Strukturen. Hier soll die ganze Palette der Entwicklungshilfe greifen. So will man etwa die Beschäftigung junger Frauen und Männer und den Aufbau kleiner Unternehmen fördern und die Folgen des Klimawandels lindern. Auch sollen Initiativen zur Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten sowie ein besserer Umweltschutz unterstützt werden.

Geld für "Migrationsmanagement"

Zum zweiten sollen Schleuseraktivitäten eingedämmt werden. Geld soll laut EU-Kommission aber auch in das "Migrationsmanagement" fließen. Dazu gehöre die "Eindämmung und Verhinderung irregulärer Migration und der Kampf gegen Schlepperkriminalität und andere dazugehörige Verbrechen". Sicherheitskräfte sollten zudem beim "Grenzmanagement" unterstützt werden. Auch Konfliktbewältigung und -verhinderung sowie Programme gegen Radikalisierung und Extremismus sind geplant.

Im Gegenzug versprechen die Afrikaner, sich bei der Wiederaufnahme abgelehnter Asylbewerber mehr anzustrengen. Bisher nehmen sie laut Diplomaten nur etwa 20 Prozent aus dieser Gruppe zurück. Allerdings gelang es den Afrikanern, die Formulierung "freiwillige Rückkehr" in der Abschlusserklärung unterzubringen. Im Entwurf, der der SZ vorlag, hieß es vieldeutig: "Wir sind uns einig, dass wir eine freiwillige Rückkehr bevorzugen." Die EU hat schon Rückführungsabkommen mit mehreren afrikanischen Staaten, die bislang zu wenig geführt haben. Als Lockmittel setzt Europa unter anderem die Vergabe von Visa oder die Teilnahme an Austausch- und "Mobilitätsprogrammen" ein.

Zur Finanzierung aller Maßnahmen steckt die EU-Kommission 1,8 Milliarden Euro aus dem europäischen Haushalt in den "Notfall-Fonds" für Afrika. Die Behörde erwartet, dass die Staaten noch einmal 1,8 Milliarden drauflegen. Damit ist jedoch nicht zu rechnen. Senegals Staatschef Macky Sall bezeichnete die Abschiebung von Flüchtlingen in ihre afrikanische Heimat als "schwieriges Thema".

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Bei denjenigen, die unter Lebensgefahr nach Europa gelangt seien, müsse auch geprüft werden, wer legal dort bleiben könne, sagte der amtierende Vorsitzende der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas). Schließlich sind für viele afrikanische Länder Überweisungen aus Europa ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, auf den sie nicht verzichten wollen. Ihr Gesamtwert liegt weit über den 20 Milliarden Euro, die die EU-Staaten jährlich an Entwicklungshilfe für Afrika leisten. Deswegen war den Afrikanern ein Punkt im Aktionsplan wichtig: Bis 2030 wollen die Europäer die Kosten für die Rücküberweisungen von bisher bis zu zehn Prozent auf drei begrenzen. Bis 2020 sollen sie "substantiell" reduziert werden. Außerdem will man die Transfers sicherer und schneller machen.

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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