EU-Afrika-Gipfel in Lissabon:Afrikanische Staaten drohen mit Boykott

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Erst gibt es Streit wegen Merkels Kritik an Simbabwes Präsident Mugabe. Jetzt wollen auch noch mehrere afrikanische Staaten das Freihandelsabkommen mit der EU platzen lassen.

Mehrere afrikanische Staaten wollen ein seit fünf Jahren vorbereitetes Freihandelsabkommen mit der EU platzen lassen.

Will kein Freihandelsabkommen mit der EU: Senegals Staatschef Wade. (Foto: Foto: AP)

"Für uns ist es aus", sagte der senegalesische Präsident Abdoulaye Wade auf einer Pressekonferenz am Sonntag auf dem EU-Afrika-Gipfel in Lissabon.

Auch der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki erklärte, er wolle das Abkommen nicht unterzeichnen. Damit ist eines der wichtigen Ziele des Lissabon-Gipfels gescheitert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte die Ablehnung aber nicht als Eklat werten. "Die afrikanischen Staaten haben zum Teil sehr unterschiedliche Meinungen", sagte sie.

"Wir müssen die Nerven behalten, weiter verhandeln." Die EU werde prüfen, ob sie ihre Position flexibilisieren könne. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso kündigte an, die EU wolle die Verhandlungen im kommenden Jahr fortsetzen.

Das Ökonomische Partnerschaftsabkommen (EPA) soll das bisherige Cotonou-Abkommen ersetzten, das am 1. Januar 2008 ausläuft. Es regelt die Erhebung von Zöllen für Importe aus Afrika in die EU.

Zudem soll es den Handel unter den afrikanischen Staaten liberalisieren. Ohne ein Abkommen würden vor allem die erfolgreichen Staaten erhebliche Einbußen verzeichnen, weil der Handel unterbrochen werden müsse, betonte Barroso. Man bemühe sich deswegen um Interimsabkommen mit den am meisten betroffenen Staaten.

Merkel attackiert Mugabe

Beherrschendes Gipfelthema war zuvor die scharfe Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel an Simbabwes Präsident Robert Mugabe auf dem EU-Afrika-Gipfel in Lissabon. In Simbabwe würden die Menschenrechte missachtet, das Land schade "dem Ansehen des neuen Afrika", sagte sie bei dem Treffen.

Ihre offenen Worte sorgten für erboste Reaktionen afrikanischer Staaten. Das eigentliche Gipfel-Ziel, der Aufbau einer "strategischen Partnerschaft", trat am ersten Tag des als historisch angekündigten Treffens in den Hintergrund.

Simbabwe sei Beispiel für ein Land, in dem wir "Zeuge von schlechter Regierungsführung und Missachtung von Menschenrechten werden müssen", sagte Merkel vor mehr als 70 Staats- und Regierungschefs beider Kontinente. "Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden."

Sie verwies darauf, dass ein bereits für 2003 geplanter zweiter EU-Afrika-Gipfel am Streit über eine Teilnahme Mugabes geplatzt war. Diesmal boykottierte der britische Premierminister Gordon Brown den Lissabon-Gipfel, verhinderte seine Ausrichtung aber nicht. In der Bewertung der Lage in Simbabwe sei sich "die ganze Europäische Union einig", betonte Merkel an die Adresse Londons gerichtet.

Versteinerte Miene Mugabes

Mugabe selbst nahm die Schelte mit versteinerter Miene zur Kenntnis und äußerte sich nicht öffentlich. Offen erbost reagierte der senegalesische Präsident Abdoulaye Wade. "Es ist nicht in Ordnung, ein Problem zwischen zwei Ländern zu einem Problem zwischen zwei Kontinenten zu machen", sagte er auf einer Pressekonferenz. Europa habe zudem kein genaues Bild über die Bedingungen in Simbabwe.

Merkels Kritik beruhe auf "ungenauen" Informationen: "Notwendig sind genaue Informationen", so Wade weiter. "Wer kann heute sagen, dass die Menschenrechte in Simbabwe stärker verletzt werden als in anderen afrikanischen Ländern?"

Auch der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki, der in Simbabwe zwischen Regierung und Opposition vermittelt, machte deutlich, dass er Merkels Vorstoß für fehl am Platz halte.

Die afrikanischen Regierungen machten viele Schritte, um nicht in die dunklen Tage der Nachkolonialzeit zurückzufallen."Aber ich betone, dass wir das aus eigener Übereinkunft machen. Wir haben die notwendigen Schritte aus der Vergangenheit gelernt."

Der deutschen Kanzlerin warf Mbeki realitätsfremde Ansichten über die Situation in der ehemaligen britischen Kolonie vor. "Wovon reden Sie? Die Dinge entwickeln sich", sagte Mbeki nach Angaben eines afrikanischen Diplomaten an die Adresse der Kanzlerin.

Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy blieb auffallend neutral. Er stimme "generell" mit Merkels Position überein. Aber Mugabes Gegenwart in Lissabon sei nicht das wichtigste Thema.

Merkel gab sich dennoch optimistisch, dass der zweite EU-Afrika-Gipfel nach der Premiere im Jahr 2000 in Kairo "ein Meilenstein auf dem Weg zu einer besseren Beziehung zwischen beiden Kontinenten" werde. "Wir haben sieben Jahre gebraucht, um diesen Gipfel wieder abzuhalten."

Zwar habe sich der Grund für diese lange Zeit, die Situation in Simbabwe, nicht verbessert. "Aber wir wissen um die strategische Notwendigkeit."

Beim Thema Handelsbeziehungen gestalteten sich die Verhandlungen zäh. Die EU konnte viele afrikanische Staaten im Vorfeld der Konferenz nicht überzeugen, Folgeabkommen für die Ende des Jahres auslaufenden Verträge zu unterzeichnen. Afrika werde "nicht länger nur Exporteur von Rohstoffen sein" und die Rolle als "reiner Importmarkt" nicht mehr akzeptieren, erklärte der Präsident der AU-Kommission Alpha Oumar Konaré.

Der irische Premierminister Bertie Ahern versuchte, die Bedenken zu zerstreuen. Arme Länder könnten nicht zu "unfairen Abkommen" gezwungen werden, betonte er.

Bisher haben nur 13 von 78 afrikanischen Staaten ein Wirtschaftsabkommen mit der EU abgeschlossen. Vor allem China droht auf dem ressourcenreichen Kontinent im Handel den Europäern den Rang abzulaufen.

© AP/AFP/jkr/gdo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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