Ethik-Regeln:Ausnahme für Oettinger

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Der Unmut über den umstrittenen Mitflug bei einem Lobbyisten ist noch immer groß. Doch dem EU-Kommissar Günther Oettinger bleibt eine Abstimmung im Europaparlament erspart. Stattdessen soll es für ihn eine Aussprache geben.

Von D. Brössler, A. Mühlauer, Brüssel/Straßburg

Es hätte ein unangenehmer Termin werden können, doch wie es aussieht, muss sich Günther Oettinger keiner ordentlichen Anhörung mit Abstimmung im Europäischen Parlament stellen. Stattdessen soll es vor dem Ressortwechsel des EU-Digitalkommissars eine Aussprache vor dem Haushalts-, Haushaltskontroll- und Rechtsausschuss geben. Das hat die Konferenz der Fraktionsvorsitzenden am Mittwoch beschlossen. Anlass für den Austausch mit dem Parlament ist Oettingers Portfolio-Wechsel. Der Deutsche soll zum Jahresende die Bereiche Haushalt und Personal der Europäischen Kommission übernehmen.

Die Frage, in welcher Form Oettinger sich gegenüber dem Parlament erklären muss, ist deshalb entscheidend, weil es bei einer ordentlichen Anhörung mit Abstimmung auch um die persönliche Eignung geht. In dieser Frage kamen unter Abgeordneten zuletzt Zweifel auf. Nach Bekanntwerden einer Rede, in der Oettinger Chinesen "Schlitzaugen" nannte und von einer "Homo-Pflichtehe" sprach, mochte der Kommissar zunächst kein Problem erkennen. Erst nach einer Woche bedauerte Oettinger, so "frei von der Leber" weg gesprochen zu haben. Kurz darauf ging es dann um einen Flug, zu dem sich Oettinger von einem kremlnahen Lobbyisten hat einladen lassen, um pünktlich zum Abendessen bei Ungarns Premier Viktor Orbán zu erscheinen.

Das sorgt noch immer für Unmut. "Herr Oettinger hat einen Fehler gemacht und dieser Fehler wird zutiefst kritisiert von unserer Fraktion", sagte der Chef der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, Gianni Pittella. Seine Äußerungen zu Chinesen und zur Homo-Ehe seien "deplatziert" gewesen. Außerdem sei es "wohl nicht so glücklich, in ein Privatflugzeug zu steigen", um zu einer Einladung der ungarischen Regierung zu fliegen. Hier kenne er aber die Zusammenhänge nicht.

Formell muss das Plenum darüber befinden, in welcher Form Oettinger sich erklären muss. Entscheidend ist die Empfehlung der zuständigen Ausschüsse. Neben dem Haushaltskontrollausschuss sind dies der Haushalts- und der Justizausschuss. Oettingers Aussprache soll nun im Dezember stattfinden. Bei EU-Kommissar Valdis Dombrovskis, der die Aufgaben des Briten Jonathan Hill übernahm, hatte es lediglich einen "Meinungsaustausch" gegeben.

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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